Elektromobilität als umweltpolitisches Feigenblatt
AM
AKTUELLEN RAND
von Uwe
Kunert
Der Ende des vergangenen Jahres
vorgelegte Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE)
gibt Anlass, die bislang nur zögerliche Verbreitung elektrischer Pkw kritisch
zu bewerten. Gut 8500 batterieelektrische Autos kamen 2014 zusätzlich auf
Deutschlandstraßen, der Bestand erreicht nun etwa 20000 Fahrzeuge. Damit sind
die Ergebnisse weit unterhalb des Pfades, um das Ziel von einer Million
Fahrzeugen im Jahr 2020 erreichen zu können. Aber wie sinnvoll ist diese nach
wie vor betonte Zielsetzung? Trotz der bisher erreichten technologischen
Fortschritte bestehen immer noch gravierende Hemmnisse wie geringe Reichweiten
und hohe Kosten. Es verwundert daher nicht, dass private Käufer diese
Technologie eher meiden und über 80 Prozent der Neuzulassungen von E-Autos
gewerblich erfolgen.
Die weitere Förderung und Forschung
sollte sich deshalb stärker auf Anwendungen konzentrieren, für die diese
Hemmnisse weniger bedeutsam sind: den Flotteneinsatz von E-Autos und leichten
Nutzfahrzeugen, die zum Beispiel im Lieferverkehr begrenzte Reichweiten
erfordern und täglich zum Standort zurückkehren, an dem sie aufgeladen werden.
Damit würde die Elektromobilität wieder mit Diensten nützlich, mit denen sie
vor 100 Jahren mit der Auslieferung von Milch und Post endete. Mit einer
derart fokussierten Strategie wäre zwar kein Millionenbestand an Fahrzeugen zu
erreichen. Aber die technologische Entwicklung könnte voranschreiten, bis die
Produkte auch auf einem subventionsfreien Markt für private Käufer attraktiv sind
(und möglichst unabhängig von lockenden Sonderrechten im Straßenverkehr). Zudem
könnte auf den von der NPE geforderten flächendeckenden Ausbau der
Ladeinfrastruktur in Deutschland zunächst verzichtet und geplante Fördermittel
gezielter eingesetzt werden. Denn bei der Entscheidung über dauerhaft prägende
Infrastrukturen sollte nicht vergessen werden, dass der technologische Wettlauf
um die Kundenakzeptanz für Elektrofahrzeuge zwischen Batterie und
Brennstoffzelle keinesfalls entschieden ist.
Auch die mit dem E-Auto erwarteten
Umweltvorteile rechtfertigen keine weitere Forcierung hoher Stückzahlen: Selbst
bei dem erheblichen Ökostrom Anteil in Deutschland schneiden E-Autos in der
Ökobilanz nicht besser ab als moderne Verbrenner, wenn die Vorketten der Produktion
(Fahrzeug und Kraftstoffe) angemessen berücksichtigt werden. In einigen anderen
Regionen der Welt, denen gelegentlich sogar Vorbildcharakter in Sachen
E-Mobilität bescheinigt wird (Staaten der USA, China), kann die Bilanz
bezüglich Klimaschutz aufgrund des Einsatzes von Kohlestrom deutlich negativer
ausfallen. Bedenklicher als die technologische Umweltbilanz fällt aber die
politische Bilanz der intensiven Bemühungen um die Straßen Elektromobilität
aus: Während die Akteurebehaupten,
die Elektromobilität sei der entscheidende Beitrag des Verkehrssektors zum
Klimaschutz, bleiben wichtige Aufgaben unerledigt, die ein höheres Potential
für rasche Beiträge zum Umweltschutz haben. Um nur drei Beispiele zu nennen:
Die jährlich über drei Millionen neuen Pkw werden von Jahr zu Jahr schwerer und
leistungsstärker und der Dieselanteil steigt – mit entsprechenden Folgen für
den Kraftstoffverbrauch und die Schadstoffemissionen. Diese Entwicklung ist
auch Ergebnis einer völlig unzureichenden Berücksichtigung von Umweltkriterien
bei der Reform der Kraftfahrzeugsteuer vor fünf Jahren. Auf der politischen
Reformagenda stand obendrein bereits mehrmals die steuerliche Behandlung von
Dienstwagen, die den Neufahrzeugmarkt in Deutschland zunehmend dominieren.
Vorschläge zum Abbau der Steuerprivilegien und zur Berücksichtigung von
Umweltmerkmalen wurden nicht umgesetzt. Andere Länder waren in dieser Hinsicht
fortschrittlicher.
Weiterer Handlungsbedarf besteht bezüglich der steuerlichen
Begünstigung von Dieselkraftstoff, die zumindest für die
private Verwendung durch nichts gerechtfertigt ist: Die zunehmende Verbrennung
von Diesel trägt wesentlich zur mangelhaften Luftqualität in Ballungsräumen
bei. Bei den niedrigen Energiepreisen wäre jetzt der beste Zeitpunkt, die
Dieselsteuer anzuheben – dies würde auch die Wettbewerbsfähigkeit der
alternativen Antriebe verbessern.
Dr. Uwe
Kunert ist Wissenschaftlicher
Mitarbeiter
in der Abteilung Energie,
Verkehr,
Umwelt
Der Beitrag
gibt die Meinung des Autors
wieder.