Eizellen reifen sicher in der Petrischale
In-vitro-Maturation erfüllt Frauen mit Hormonstörung Kinderwunsch
Mannheim – Nicht alle Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch verkraften eine Hormonbehandlung im Rahmen einer künstlichen Befruchtung gut. Eine schonende Alternative bietet die In-vitro-Maturation (IVM): Hierbei reifen die Eizellen in der Petrischale heran. Dies hilft vor allem Frauen mit einem Polyzystischen Ovarialsyndom (PCO)-Syndrom, das mit Zyklusstörungen und Unfruchtbarkeit einhergeht. Vorteile und Grenzen der In-vitro-Maturation sind Thema eines Vortrags von Professor Dr. med. Thomas Strowitzki am 9. März 2012 beim 55. Symposium der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Mannheim. Das Thema wird auch auf der Pressekonferenz am 7. März 2012 behandelt.
Eine künstliche Befruchtung im Reagenzglas, die sogenannte In-vitro-Fertilisation (IVF), benötigt reife Eizellen. Der Arzt entnimmt diese bei einer Punktion durch die Scheide unter Ultraschallkontrolle aus dem Eierstock der Frau. Damit genügend Eizellen heranreifen, erhält die Frau zuvor eine Hormonbehandlung. Bei einigen Frauen reagieren die Eierstöcke jedoch zu stark. Sie entwickeln ein Überstimulationssyndrom mit Bauchschmerzen, Gewichtszunahme, Übelkeit und in schweren Fällen auch Atemnot. „Besonders gefährdet sind Frauen, die an einem PCO-Syndrom leiden oder bei denen es bei einer früheren In-vitro-Fertilisation schon einmal zu einem Überstimulationssyndrom gekommen ist“, berichtet Professor Thomas Strowitzki, Kongresspräsident des 55. Symposiums der DGE und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen am Universitätsklinikum Heidelberg. Das PCO-Syndrom ist eine der häufigsten Stoffwechselstörungen geschlechtsreifer Frauen in Europa. Experten schätzen, dass vier bis 12 Prozent betroffen sind. Leidet eine Frau an einem PCO-Syndrom, reifen gleichzeitig viele Eibläschen heran. Sie enthalten aber nicht immer reife Eizellen. Betroffene Frauen sind häufig unfruchtbar. Eine Hormonbehandlung fördert die Überproduktion der Eibläschen zusätzlich. „Die körperliche Belastung durch die Hormonbehandlung ist deutlich erhöht“, sagt Strowitzki.
Dies könnte sich durch die In-vitro-Maturation ändern. Bei dieser Form der Reifung entnimmt der Arzt die Eizellen in einem noch unreifen Stadium. „Die letzte Phase der Maturation erfolgt dann in einer Petrischale im Labor“, erläutert Professor Strowitzki: „Für 24 Stunden befinden sich die Eizellen in einem speziellen Nährmedium, bevor sie mit einer Samenzelle befruchtet werden.“ Die IVM ermöglicht es, die Hormonbehandlung zu verkürzen. In einigen Fällen könne sogar ganz darauf verzichtet werden, sagt Professor Strowitzki. Den Frauen bleiben dann die Beschwerden eines Überstimulationssyndroms erspart.
Bevor die IFM 2005 in Heidelberg und in Lübeck eingeführt wurde, bestand die Sorge, dass die beschleunigte Reifung im Labor zu Fehlbildungen beim Neugeborenen führen könnte, oder dass mehr Kinder mit Down-Syndrom oder anderen Chromosomenstörungen geboren würden. „Dafür liegen bisher weltweit keine Belege oder Hinweise vor“, versichert Professor Strowitzki. Auch in Heidelberg, mit bislang 250 IVM-Behandlungen derzeit das führende deutsche Zentrum, sind keine Störungen aufgetreten. Einige Kinder werden im Rahmen des Forschungsprojekts „Germ Cell Potential“ nach der Geburt weiter beobachtet. „Bis nach dem zweiten Geburtstag ist die Entwicklung der Kinder bis jetzt unauffällig“, berichtet Professor Strowitzki. Dies entspricht den internationalen Erfahrungen, die bisher keine Unterschiede zu anderen Kindern gefunden haben. Die IVM wurde bereits 1994 in Australien entwickelt. In anderen Ländern ist sie bereits länger im Einsatz als in Deutschland.
Trotz der Sicherheit wird die IVM die konventionelle In-vitro-Fertilisation nicht ablösen, meint Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. „Denn leider ist die Schwangerschaftsrate hierbei niedriger“, so der Hormonspezialist aus Bochum. Die Heidelberger Gruppe hat ihre Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica veröffentlicht: Die ersten 177 Behandlungen führten in 27 Fällen zu einer Schwangerschaft, die 13 Mal erfolgreich ausgetragen wurde. Das ist deutlich weniger als bei der konventionellen In-vitro-Fertilisation. „Für die Mütter ist die Geburt ihres Kindes jedoch ein besonderes Glücksmoment“, weiß Professor Schatz: „Ohne IVM hätten viele von ihnen gar keine Chance gehabt, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen.“
Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach „außen“ ab.