Einblicke in die Tiefsee
Um das System Erde besser zu verstehen, geht geowissenschaftliche Forschung den Dingen buchstäblich auf den Grund. So führte eine Expedition mit dem Forschungsschiff „Sonne“ rund ein Jahr nach dem schweren Erdbeben im Jahr 2011 vor die Küste Japans, um zu untersuchen, was dabei am und unter dem Meeresboden passiert ist. Vom 8. März bis zum 6. April 2012 waren 33 deutsche und japanische Forschende gemeinsam unterwegs.Die Ergebnisse können sich sehen lassen.
„Wir konnten unter anderem zeigen, dass der Tsunami auf das Erdbeben und nicht auf einen Hangrutsch zurückgeht“, berichtet der Leiter der Expedition, Gerold Wefer aus Bremen. „Der Kontinentalhang hat sich an einigen Stellen um bis zu 50 Meter nach Südosten verlagert.“ Messungen mit den verschiedenen bordeigenen Echolotsystemen ergaben zudem, dass sich der Meeresboden über der Erdbebenzone um rund zehn Meter gehoben hat. Diese massiven Volumenänderungen erklären die Wucht des Tsunami. Eine unerwartete Entdeckung zeigte sich laut Wefer bei der chemischen Untersuchung der Sedimentablagerungen am Meeresgrund: „In großen Bereichen hat sich eine Sedimentschicht von etwa einem Meter Dicke neu gebildet.“ Weitere wichtige und neue Ergebnisse liefern die bei der Fahrt genommenen Sedimentkerne. Diese sind gleichsam ein Archiv für Paläoerdbeben und zeigen anhand von Lagen aus Asche, wann in der Erdgeschichte welche Vulkane ausgebrochen sind – Informationen, die die Wissenschaft an Land so nicht erheben kann, da dort die kontinuierliche Ablagerung fehlt.
Um Erkenntnisse wie diese zu Tage zu fördern, stehen an Bord der „Sonne“ hochmoderne technische Geräte bereit. Dazu gehört der Tauchroboter QUEST, laut Wefer „ein einzigartiges und stark nachgefragtes Hightech-Gerät“. Denn nur Unterwasserfahrzeuge können Observatorien, wie sie beispielsweise vor Sendai am Meeresgrund installiert sind, überprüfen und bei Beschädigungen Komponenten austauschen. „Nur solche Geräte ermöglichen uns Einblicke in die Vorgänge der Tiefsee, die schlecht zugänglich ist und über die wir deshalb immer noch wenig wissen“, fügt Wefer hinzu.
.Das Arbeitsgebiet der Sonne vor der Küste Japans
© Marum
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Das Arbeitsgebiet der Sonne vor der Küste Japans
© Marum
Neben einem einsatzbereiten und gut ausgestatteten Forschungsschiff wie der „Sonne“, für die es 2015 einen modernen und nach dem aktuellen Stand der Technik ausgebauten Nachfolger geben soll, sind auch gute Kontakte zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern essenziell für eine erfolgreiche Expedition „Wir sind durch das Integrated Ocean Drilling Program (IODP) seit langem gut vernetzt“, betont Wefer. Ein Knotenpunkt des Netzwerkes ist das DFGForschungszentrum MARUM in Bremen, das sich 2007 um den im Jahr 2012 verlängerten Exzellenzcluster „Der Ozean im System Erde“ erweitert hat und das Wefer seit seiner Gründung leitete. Ende 2012 folgte ihm Michael Schulz als Direktor nach. In Bremen befindet sich außerdem eines der drei internationalen Bohrkernlager des IODP.
Dies alles war 2012 eine gute Basis für die Japan-Expedition, die eine ungewöhnlich kurze Vorlaufzeit hatte. „Wir haben die Fahrt in weniger als einem Jahr auf die Beine gestellt“, erzählt Wefer, „auch dank der Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die DFG.“ Die Vorbereitungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler flankierte die Öffentlichkeitsarbeit mit einem umfassenden Presseprogramm sowie einem Empfang mit dem deutschen Botschafter in Japan, Volker Stanzel, und dem DFG-Vizepräsidenten Ferdi Schüth direkt vor Fahrtbeginn. „Wir haben große Aufmerksamkeit und Anerkennung seitens der Regierung und der Forschungsorganisationen erfahren“, so Wefer.
Die intensive Zusammenarbeit zwischen deutschen und japanischen Forschenden trägt bereits Früchte: Ein „Post-cruise Meeting“ im September 2012 benannte zukünftige Forschungsfragen, die weitere Expeditionen beantworten sollen: sei es auf der „Sonne“ oder auf japanischen Schiffen, wie der „Chikyu“, die beide seit langem als Forschungsplattformen deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern offenstehen. Gemeinsame Anträge und Fahrten sind in Planung, und der Austausch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist bereits vereinbart. Wefer betont das starke Vertrauensverhältnis, das zwischen deutschen und japanischen Forschenden entstanden ist: „Beiderseits gibt es großes Interesse an der weiteren Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das ist wirklich nachhaltig!“