fzm – Der Ausfall des Dünndarms bedeutete für die betroffenen Menschen bis früher eine lebenslange künstliche Ernährung. Erst seit wenigen Jahren besteht die Möglichkeit, den Patienten durch eine Transplantation wieder zu einem funktionsfähigen Dünndarm zu verhelfen. Eines der führenden Zentren in Europa ist die Berliner Charité. Dort wurde im Juni 2000 die erste Dünndarmtransplantation durchgeführt. Von den ersten 13 Patienten sind heute noch zehn am Leben. Das Team um Prof. Peter Neuhaus zieht in der DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005) eine erste positive Bilanz.
Der Dünndarm des Menschen ist etwa fünf Meter lang. Mindestens ein Meter wird benötigt, um genügend Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen zu können. Die in Berlin operierten Patienten hatten nur noch weniger als 30 Zentimeter funktionsfähigen Dünndarm. Die Ärzte sprechen von einem Kurzdarmsyndrom. Ursache ist häufig die Verlegung der Blutgefäße des Dünndarms mit Gerinnseln (Thrombosen). Den Patienten müssen dann die zum Leben notwendigen Nährstoffe über Infusionen zugeführt werden. Diese Ernährung scheitert früher oder später, weil die Ärzte keine Venenzugänge mehr finden oder weil es zur Blutvergiftung (Sepsis) kommt, an denen viele Patienten früher starben.
Erste Versuche mit Dünndarmtransplantationen hat es bereits Ende der 1980er-Jahre gegeben“, berichten die Berliner Chirurgen. Damals wurde auch in Kiel eine Frau operiert. Doch die Überlebenschancen waren gering. Neuhaus: „Das Problem waren die hohen Abstoßungsraten und Infektionen, die von Erregern aus dem Dickdarm ausgingen“. Seit einigen Jahren stehen stärkere Medikamente zur Verfügung, die eine Abstoßung besser verhindern. Nur deshalb wurde es möglich, ab 2001 mit dem Aufbau eines Dünndarmtransplantationsprogramms zu beginnen.
Die bisherigen Ergebnisse des Berliner Teams sind gut. Nur drei Patienten verstarben. Einmal kam es zu einer schweren Infektion, einmal ging das Transplantat wegen schlechter Durchblutung (Ischämie) zugrunde und einmal trat eine schwerste Abstoßungsreaktion auf. Den meisten anderen Patienten gehe es heute gut, versichern die Chirurgen: „Die Lebensqualität beträgt in einem Score 90 bis 100 Prozent. Vier Patienten sind berufstätig, davon zwei in Vollzeit. Eine fünfte Patientin konnte ihr Medizinstudium fortsetzen.“
Die Operation ist technisch anspruchsvoll. Im Durchschnitt werden drei Meter Dünndarm verpflanzt. Inzwischen ist sie aber fast Routine. In Berlin wurde inzwischen auch die erste „Multiviszeraltransplantation“ durchgeführt. Dabei wurde neben dem Dünndarm, der Magen, der Zwölffingerdarm, die Bauchspeicheldrüse, die Leber, Teile des Dickdarms sowie eine Niere samt Nebenniere transplantiert. Hinzu kam, um die Blutversorgung der neuen Organe sicher zu stellen, ein Teil der Bauchschlagader.
A. Pascher et al.:
Klinische Ergebnisse der Dünndarm- und Multiviszeraltransplantation an der Berliner Charité
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (8): 387-392