Digitales Verfallsdatum lässt Jugendsünden aus dem Internet verschwinden
Für Jugendliche ist heute das Profil im sozialen Netzwerk selbstverständlich. Doch nur die wenigsten haben im Blick, dass ein Personalchef noch Jahre später auf peinliche Partyfotos stoßen kann, weil diese im Langzeitgedächtnis des Internets gespeichert sind. Saarbrücker Informatiker haben deshalb ein digitales Verfallsdatum entwickelt, das erstmals die Möglichkeit eröffnet, Jugendsünden aus dem Netz verschwinden zu lassen. Mit der neuen Software, die jetzt im Internet erhältlich ist, kann jeder seine Bilder vor dem Hochladen mit einem Verfallsdatum versehen. Bisher konnte man Privatfotos im Internet nicht löschen, weil sie von Suchmaschinen automatisch erfasst und doppelt und dreifach gesichert wurden.
Die sozialen Netzwerke wie Facebook und StudiVZ leben davon, dass Millionen Nutzer ihre privaten Neuigkeiten und Fotos untereinander austauschen. Wer aber seine persönlichen Bilder über diese Webseiten lädt, muss damit rechnen, dass sie auch noch viele Jahre später im Internet zu finden sein werden. „Wir haben daher nach Möglichkeiten gesucht, wie man die Vorzüge der sozialen Netzwerke nutzen kann und dennoch die Kontrolle über seine persönlichen Daten behält“, sagt Michael Backes, Professor für Informationssicherheit und Kryptographie der Universität des Saarlandes. Damit seine Forschungsergebnisse auch dem Endnutzer zugute kommen, hat der Wissenschaftler vor einigen Monaten eine Firma aus der Universität ausgegründet. Ein Team von jungen Informatikern hat dort eine Technik entwickelt, mit der man Informationen im Internet mit Verfallsdatum versehen kann. „Wir haben uns zuerst auf Fotos konzentriert, die man jetzt nach Ablauf des eingegebenen Verfallsdatums nicht mehr ansehen kann. Künftig wird man das Verfahren auch für Dokumente, etwa pdf-Dateien, oder ganze Webseiten einsetzen können“, nennt Backes sein Ziel.
Für soziale Netze wie Facebook, Flickr und Wer-kennt-wen wurde der Schutz bereits getestet und kann jetzt über ein Zusatzprogramm (Plug-in) im Firefox-Browser angewendet werden. „Die Fotos werden beim Hochladen ins Internet verschlüsselt und über ein einfaches Menü mit einem Verfallsdatum versehen. Den Schlüssel, den man zum Lesen der Daten benötigt, legen wir auf mehreren Servern ab“, erklärt Michael Backes. Diese Sicherheitsserver werden von Internet-Dienstleistern betrieben, die den Schlüsselcode nur preisgeben, wenn er zu den anderen Schlüsseln passt. „Diese Abfrage geschieht vollautomatisch im Hintergrund, ohne dass der Benutzer etwas merkt“, sagt Backes. Sobald das Verfallsdatum erreicht ist, löscht der Sicherheitsserver den Schlüssel. Das eingestellte Foto kann dann im Internet nicht mehr angesehen werden. „Für die sozialen Netzwerke mussten wir ein extra Verfahren entwickeln, da die Fotos dort beim Hochladen komprimiert werden und die Verschlüsselung in der Bilddatei zerstören hätten“, erklärt der Informatikforscher.
Nach Meinung von Michael Backes liefern diese Sicherheitsvorkehrungen für fast alle Anwender eine ausreichende Kontrolle. Sie sollen vor allem für die großen Suchmaschinen wie Google oder Yahoo die Hürde hoch setzen, damit diese nicht alle Daten vollautomatisch speichern können. „Für Internetnutzer, die ganz auf Nummer sicher gehen möchten, haben wir eine weitere Sicherheitsstufe in das System eingebaut. Dafür werden so genannte Captchas verwendet, das sind diese schwierig zu erkennenden Buchstabenfolgen, die jeder vom Online-Banking kennt. Sie können nur manuell eingegeben werden, so dass sie von Suchmaschinen nur mit einem hohen kommerziellen Aufwand entziffert werden könnten“, meint der Informatik-Forscher.
Die aus einem Forschungsprojekt entstandene Technologie zum digitalen Verfallsdatum wird jetzt als Software namens „x-pire!“ vermarktet. In die gleichnamige Firma stieg vor kurzem die Saarbrücker Scheer Group GmbH als Teilhaber ein. Das Plugin, das man benötigt, um die mit einem Verfallsdatum versehenen Fotos anzuschauen, ist weiterhin kostenlos erhältlich. Wer die Software nutzen will, um seine Bilder mit einem digitalen Verfallsdatum zu versehen, zahlt pro Monat rund zwei Euro.