Wissenschaftler bestätigen: Die Erwartungen an Erwerbslose sind häufig inkompetent und riskant
Die Anforderungen an Erwerbslose sind häufig unrealistisch und gesundheitsgefährdend. Zu diesen Ergebnissen kommen Studien der Universitäten Dresden und Leipzig. "Von Arbeitslosen werden Veränderungen verlangt, die viele Menschen in stabilen Verhältnissen kaum zu leisten in der Lage sind: finanzielle Einbußen, Veränderungen der Lebensführung, Veränderung zentraler Rollen, Umzüge, Trennung von der Familie bei wohnortfernen Arbeitsangeboten und unsicherer Perspektive …"
Professorin Dr. Gisela Mohr und Kollegen postulieren: "Viele Bewerbungen, hohe Arbeitsorientierung, starke Konzessionsbereitschaft und viel Optimismus sind falsche Forderungen an Arbeitslose."
Verschiedentlich erhalten ALG-II-Bezieher im Jobcenter die Aufforderung, eine möglichst hohe Zahl an Bewerbungsschreiben nachzuweisen, auch wenn die Erfolgschancen minimal sind. Das kontinuierlich negative Ergebnis entmutigt die Arbeitssuchenden, schädigt ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit und kann damit die emotionalen bzw. gesundheitlichen Voraussetzungen einer Erwerbsfähigkeit ruinieren.
Die Wissenschaftler referieren "Untersuchungen, die zeigen, dass eine mittlere Arbeitsorientierung mit einer besseren psychischen Gesundheit einhergeht als eine hohe. Zu erklären ist dies damit, dass erfolglose Bewerbungen dann besser bewältigt werden können. Auch hier muss es also als Kunstfehler betrachtet werden, wenn sogenannte Motivationstrainings eine hohe Arbeitsorientierung in den Vordergrund stellen, statt die protektive Funktion eines mittleren Niveaus zu sehen. Offenbar stellt die Reduzierung der Arbeitsorientierung eine Anpassung an die gegenwärtige Lebenssituation dar und muss bei Langzeitarbeitslosen als Teil einer positiven Bewältigungsstrategie bewertet werden …"
Ist der Arbeitslose bei einer Arbeitsplatzwahl zu hohen Konzessionen bereit, sehen die Wissenschaftler "potentiell die Gefahr einer beschleunigten Abwärtsspirale, da ein erheblicher Teil dieser Wiedervermittelten innerhalb eines Jahres wieder arbeitslos ist… Eine hohe Konzessionsbereitschaft und Arbeitsorientierung von ALG-II-Beziehern muß geradezu als Risikofaktor für eine gelingende Bewältigung von Arbeitslosigkeit betrachtet werden…"