MOOCs in Deutschland, die verpasste Chance
Deutschland hat es gut, denn
in Deutschland ist Bildung umsonst. Das lernt man erst zu schätzen,
wenn man öfters im Ausland war und sieht, was Menschen zahlen müssen, um überhaupt Bildung zu erhalten. Deutschland ist auch Exportweltmeister bzw. wir waren es. Die Marke “Made in Germany” ist berühmt und steht für Qualität und Zuverlässigkeit. Der deutsche Ingenieur ist weltweit anerkannt und wir trauern ihm immer noch hinterher. Wenn man jetzt eins und eins
zusammenrechnen würde, also freie Bildung und Export, dann könnten wir
eigentlich MOOC-Export-Weltmeister sein. Das hätte viele Vorteile, denn
Deutschland braucht gute Fachkräfte und das Problem ist, diese
Fachkräfte zu finden. Eine internationale Bildungsplattform “Made in
Germany” könnte hier sehr helfen, zum einen kann man die Kursbesten dank
Learning Analytics sehr schnell finden und Sie persönlich ansprechen.
Zum anderen kann man bestimme Affiliate-Programme starten, um z.B.
Aufenthaltsgenehmigungen, Arbeitsplätze oder andere Mehrwerte zu
vermitteln. Die Frage ist daher, warum sind wir es nicht?
Quelle https://pixabay.com/de/flagge-deutschland-fahne-3504961/
Warum sind MOOCs in Deutschland ein Nischenprodukt?
MOOCs stehen symbolisch für
freie Bildung. Dieses Versprechen haben sie aber kaum gehalten,
jedenfalls nicht bei den großen US Anbietern, die eigentlich alle
inzwischen Payment-Modelle haben. Es gibt jedoch noch hunderte wenn
nicht sogar tausende freier Kurse. Jedoch kommen kaum welche aus Deutschland, denn nur das HPI mit OpenHPI und wir Lübecker mit mooin (inzwischen umbenannt in www.oncampus.de)
haben Plattformen und entwickeln auch MOOCs. Vielleicht hat ganz
Deutschland 200 MOOCs in den letzten 5 Jahren entwickelt. In Lübeck
listen wir auch MOOCs anderer Anbieter wie iMooX und Uni Marburg und
hoffentlich auch bald die MOOCs vom HPI. Hier gibt es eine aktuelle Übersicht.
Es gibt viele Gründe, warum die MOOCs in Deutschland nicht funktionieren. Zum einen versucht jede Hochschule ihr eigenes Ding Bildungsplattform
zu machen. Auch wenn die Hochschule nur einen MOOC entwickelt muss
dieser unbedingt auf einer eigenen Plattform, sei es WordPress oder
Moodle, mit eigenem Branding und eigener URL laufen. Die Kosten und die
Qualität spielen da keine Rolle und Nachhaltigkeit wird nur symbolisch
in den Projektantrag geschrieben. Dabei funktionieren MOOCs nur über
Reichweite und dafür braucht es eine große reichweitenstarke
Bildungsplattform. Ich vergleiche daher eine MOOC-Plattform immer mit
Amazon und seinen Shop-in-Shop-Systemen. Daher sollte einen
Mandantenfähigkeit eine große Rolle spielen.
Der Kunde/Lerner will das
nächstbeste Kurs-Angebot für seine Interessen nur einen Klick entfernt
finden, ähnlich wie bei Amazon. Wer diesen Kurs belegt hat, der hat auch
diesen Kurse belegt. Dabei ist es ihm meist egal, ob der Kurs aus
Aachen, Berlin, Lübeck oder Koblenz kommt. Oft ist es ihm auch egal, ob
der Kurs kostenfrei ist oder nicht, Hauptsache er ist passend und
schnell verfügbar. Hochschulen denken jedoch nicht aus Kundensicht, wo
wir gleich bei Problem zwei sind.
Hochschulen denken immer nur
an ihre Interessen und ihre Studierende. Das Bildungsangebot einer
Hochschule beginnt meist mit der Einschreibung und endet mit der
Graduiertenfeier. Das lebenslange Lernen hat jedoch wenig mit Hochschule
zu tun. Das Wissen, was man in der Hochschule erlangt, hat oft nur eine
kurzen Haltbarkeitswert, gerade bei Themen wie Big Data, KI, Jura oder
Medizin. Wichtiger sind die Kompetenzen, die man erhalten sollte, also
wie lernt man schnell und erkennt das Wichtige oder wie kann man die
Relevanz beurteilen. Daher sollten Hochschulen den Lerner Kunden
lebenslang begleiten und das gilt nicht nur für die Absolventen der
eigenen Hochschule sondern für die gesamte Gesellschaft. Das nennt man
“Öffnung der Hochschule” aber Hochschulen setzen andere Prioritäten.
Wenn man hier von lebenslangen Angeboten spricht, sind oft
Alumni-Netzwerke gemeint und diese sind dann auch in geschlossenen
Systemen. Man kann nur erahnen, was es intern alles gibt, abgeschottet
durch Firewalls und Hochschulzugänge.
Quelle https://pixabay.com/de/stadion-arena-%C3%BCbereinkommen-h%C3%B6rsaal-485328/
Zuletzt haben wir die MOOC
Anbieter ohne Infrastruktur. Das sind die ganzen Bildungseinrichtungen,
die keine gewachsenen IT Infrastrukturen haben, die staatlich gefördert
sind, z.B. Volkshochschulen, Schulen, Berufsschulen und natürlich die
vielen Vereine, die sich auch in der Bildung engagieren. Alle haben zwar
IT, aber selten Rechenzentren und erst recht keine Developer. Hier gibt
es StrickMOOCs, VolleyballtrainerMOOCs, SeniorenMOOCs aber auch
KlimaMOOCs, die alle eine große Nachfrage haben, aber keinen
akademischen Anspruch. Diese Institutionen sind oft zu klein um eine
eigene Infrastruktur aufzubauen. Wozu auch, denn dafür sollte es
Plattformen in der Cloud geben, die man dafür nutzen kann. In
Deutschland sprechen viele von einer Bildungscloud (damit werden oft
Länderlösungen für Schulen bezeichnet) und vergessen, dass wir in Lübeck
schon längst so eine Bildungscloud anbieten. Das ist auch wichtig, denn
sonst würde es diese Angebote nicht geben und das machen wir kostenfrei
nebenbei und auch ohne Förderung. Jeder der einen MOOC bei uns machen
will, braucht keine Hostingkosten zahlen. Er muss nur das Tutorial “mooin maker”
durcharbeiten und kriegt dann einen leeren MOOC angelegt. Dann kann er
theoretisch loslegen, ob die Qualität stimmt, ist dann eine neue
Diskussion, aber viel wichtiger ist, das etwas passiert und die
Einstiegshürden niedrig sind. Sonst diskutieren wir wieder jahrelang,
aber es passiert nichts und man lernt nichts dazu. Ich sage dazu nur ein
Wort: “Qualitätssicherung“.
Wird wirklich eine nationale Bildungsplattform gebraucht?
Inzwischen hat auch das BMBF erkannt, dass wir irgendwas wie eine nationale Bildungsplattform brauchen. Dafür gab es eine Machbarkeitsstudie,
die dann auch ergeben hat, dass dieses Vorhaben möglich und auch
sinnvoll ist. Bevor es Kritik über den Sinn dieser Studie gibt, bitte
beachtet, dass man ohne Studie keine Plattform ausschreiben darf. Das
wäre sonst Verschwendung von öffentlichen Geldern.
Laut meinen Infos wird die
Ausschreibung für diese Plattform erst 2020 passieren und damit wird ein
Start 2022 oder 2023 wahrscheinlich sein. Bis dahin werden Cousera,
Udacity, Udemy aber auch oncampus weiterentwickeln. Die
Bildungsplattform wird bei Null starten und wahrscheinlich von Leuten
entwickelt, die keinerlei Erfahrung mit MOOC-Plattformen haben. Ob man
2023 immer noch eine solche Plattform braucht, von dem Konzept eines
Monolithen, in einer zukünftig vernetzten Welt, wird sich zeigen. Die
Konzepte, die wir heute denken, werden in fünf Jahren nicht mehr aktuell
sein, das weiss selbst ich. Und ob bei dem Konzept auch an andere
Bildungsorganisationen außer Hochschulen gedacht wird, darf bezweifelt
werden und warum überhaupt Hochschulen dort Angebote platzieren sollten,
wird die große Aufgabe sein. Denn nur damit, kann eine solche Plattform
erfolgreich sein.
Damit wären wir dann aber wieder bei der Ausgangssituation und der Grund, warum ich das hier schreibe.
Was wäre passiert, wenn wir “Made in Germany”-MOOCs exportiert hätten?
Als ich vor ein paar Monaten
in Südafrika war, ist mir aufgefallen, dass unsere Ingenieure Weltruhm
haben. Wir haben, auch wenn wir in Deutschland hart unsere
Bildungsqualität kritisieren, auf der ganzen Welt ein “Made in Germany”
Ruf, der seinesgleichen sucht. Deutsche Ingenieure werden überall
gesucht und werden zum reparieren der deutschen Maschinen sogar
eingeflogen. Südafrika bildet nur sehr wenige MINT-Studiengänge aus.
Alle wollen Manager werden, trotz starken Bergbaus und einer
ausgezeichneten MINT-Nachfrage. Die lokalen Ingenieure, sind oft mit der
Technologie-Entwicklung überfordert. Heute sind die Produktzyklen
unglaublich schnell und Afrika überspringt oft ganze Generationen an
Entwicklung. So gibt es keine flächendeckende Verkabelung, sondern es
wird gleich alles kabellos gemacht. Dieser Wissensgap wird in den
nächsten Jahren noch größer, denn die Entwicklungszeiten werden immer
kürzer und die Systeme immer komplexer und dank Internet of Things auch
immer mehr aus der Ferne wartbar. Die Entwicklungsländer haben kaum
Chancen, ihre Lehrinhalte der Geschwindigkeit anzupassen. Hier wird die
Digitalisierung noch härter zuschlagen, als bei uns. Das bedeutet aber
auch, dass viele Länder unser Wissen brauchen und dann auch zu schätzen
wissen. Eine Bildungsplattform könnte ein internationales digitales
Netzwerk gründen, von dem nicht nur die Hochschulen profitieren, sondern
auch die Wirtschaft.
Quelle https://pixabay.com/de/system-netz-nachrichten-personen-927147/
Unser Ansatz der
internationalen Bildungsstrategie wird aber heute immer noch analog
geführt. Federführend seien hier das DAAD, das Goethe-Institut und das
Erasmus-Programm genannt. Von internationalen MOOCs und einer
Bildungsplattform, hab ich bei diesen Organisationen noch nie etwas
gehört. Ich weiss jedoch, dass auch darüber nachgedacht wird, teilweise
auch von uns angeregt. Das BMBF ist da sehr innovativ, obwohl man das
nicht immer erwartet. Wir werden sehen, was 2020 bei dem deutschen
Ansatz der Bildungsplattform passieren wird. Es bleibt weiterhin
spannend.