Darminfarkt: Frühe Diagnose kann Leben retten
fzm, Stuttgart, August 2014 – Es beginnt mit heftigen
Bauchschmerzen, die nach einigen Stunden wieder nachlassen können. Wenn
dann die Schmerzen erneut zunehmen und andere Beschwerden hinzukommen,
ist der Darm meistens schon irreparabel geschädigt. Der Darm- oder
Mesenterialinfarkt gehört zu den gefährlichsten medizinischen Notfällen
im Bauchraum, erläutert ein Experte in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche
Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2014).
Eine Überlebenschance haben die Patienten nur bei einer frühzeitigen
Diagnose.
Gewebe, das nicht durchblutet wird, stirbt ab. Der Darm
gehört wie Herz und Gehirn zu den lebenswichtigen Organen. Bei einer
Blockade der Durchblutung entscheidet eine frühzeitige Therapie über
Leben und Tod. Beim Herzinfarkt und auch beim Schlaganfall können Ärzte
heute viele Menschen retten oder vor Behinderungen bewahren. Beim
Mesenterialinfarkt dagegen hat sich die Sterblichkeit in den letzten 40
Jahren nicht verbessert, berichtet Professor Tobias Keck vom Campus
Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Je nach Ursache
sterben bis zu 90 Prozent der Patienten. Die meisten Patienten könnten
überleben, wenn die Diagnose frühzeitig gestellt würde.
Dies gelingt meistens nicht, weil die Beschwerden beim
Darminfarkt unklar sind. Bauchschmerzen können viele Ursachen haben und
die Alarmzeichen wie Ileus oder Peritonismus fehlen in den ersten
Stunden meistens. Beim Ileus oder Darmverschluss sind die Schmerzen von
Erbrechen und Blähungen begleitet. Beim Aushorchen mit dem Stethoskop
herrscht „Totenstille“. Beim Peritonismus, einer Reizung des Bauchfells,
ist die Bauchwand gespannt und jegliche Berührung bei der Untersuchung
vergrößert die Qualen. Da diese Zeichen anfangs fehlen, schöpfen die
Ärzte keinen Verdacht. „Wichtig für die Diagnose ist, daran zu denken
und die mesenteriale Durchblutungsstörung in die diagnostischen
Überlegungen einzubeziehen“, rät Professor Keck seinen Kollegen.
Einen einfachen und sicheren Labortest gibt es nicht. Am
leichtesten kann ein Darminfarkt mit einer Computertomographie
diagnostiziert werden. Die Bilder zeigen den Ärzten nicht nur Lage und
Ausdehnung des Infarkts, häufig ist auch die Ursache erkennbar – eine
wichtige Voraussetzung für rasches Handeln. Bei einer Embolie können die
Ärzte das Blutgerinnsel mit einem Katheter aus der Darmarterie bergen.
Blutgerinnsel in Venen können durch Einspritzen eines Enzyms aufgelöst
werden. Wenn eine Engstelle im Blutgefäß Ursache der
Durchblutungsstörung ist, können die Chirurgen über einen Bypass einen
Umgehungskreislauf anlegen. In all diesen Fällen kann eine frühzeitige
Therapie lebensrettend sein. Abgestorbene Darmschlingen müssen in einer
offenen Bauchoperation entfernt werden. Dabei hoffen die Chirurgen
darauf, dass genügend Dünndarm zur Aufnahme der Nahrung übrig bleibt. Um
ein Kurzdarmsyndrom zu verhindern, müssen je nach Lage des
Mesenterialinfarkts 35 bis 100 Zentimeter des Dünndarms gerettet werden
können.
M. Hoffmann und T. Keck:
Mesenteriale Durchblutungsstörungen: Diagnostik und Therapie
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2014; 139 (30); S.1540-1544