fzm – Viele Menschen in Europa haben falsche Vorstellungen über die
Krebsvorsorge. Bis zu 70 Prozent der Frauen in Ländern wie
Großbritannien, Italien und der Schweiz glauben beispielsweise, dass
das Mammographie-Screening Brustkrebs verhindert oder zumindest das
Risiko dafür vermindert werden kann. Die aktuelle Ausgabe der "ZFA –
Zeitschrift für Allgemeinmedizin" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
2005) informiert über die Gründe, die dazu führen, dass der Nutzen von
Vorsorgeuntersuchungen in der Bevölkerung überschätzt wird.
Immer häufiger gibt es auch in Deutschland Kampagnen, die die
Bevölkerung zum Besuch von Vorsorgeuntersuchungen aufrufen. Doch nicht
immer nutzen diese Kampagnen dem Patienten. Sie können auch dazu
führen, dass das Risiko für Krebs und der Nutzen von
Früherkennungsuntersuchungen überschätzt wird. Als Folge wähnen
Patienten sich in falscher Sicherheit oder sind durch einen auffälligen
Befund möglicherweise unnötig beunruhigt.
Fast die Hälfte der US-amerikanischen Bürger, die schon einmal ein
falsches Testergebnis bei einer Untersuchung auf Krebs hatten,
beschreiben dieses Erlebnis als "eine schreckliche oder gar die
schrecklichste Zeit ihres Lebens", erklärt Professor Ingrid Mühlhäuser,
Universität Hamburg.
Der Trugschluss, dass Untersuchungen zur Früherkennung von Brustkrebs
der Vorsorge dienen, ist weit verbreitet. Diese Maßnahmen vermindern
jedoch nicht das Risiko, an einem Mammakarzinom zu erkranken. Zudem ist
die Aussage "Jede neunte Frau ist von Brustkrebs betroffen"
irreführend, da sich diese Angabe auf die Gesamtlebenszeitspanne
bezieht. Diese Zahl bezieht sich nur auf Frauen, die das 85. Lebensjahr
erreicht haben. Bei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren sind etwa 5 von
10000 betroffen. Auch die Lebenserwartung wird durch die Teilnahme am
Mammographie-Screening im statistischen Vergleich nicht verändert. "Bei
nebenwirkungsreichen Testverfahren wie der Darmspiegelung zur
Darmkrebsfrüherkennung könnte es sogar zu einer Zunahme der Todesfälle
kommen", warnt Professor Mühlhäuser. Die Vorbereitung und Durchführung
der Untersuchung seien gerade für ältere Menschen körperlich belastend
und bisher gäbe es keine Untersuchungen, die eine
Kosten-Nutzen-Abwägung für die Darmspiegelu ng zuließen. Die Patienten
sollten daher umfassend über den möglichen Nutzen, den Schaden und die
Folgen einer Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen informiert werden.
Prof. Dr. med. Ingrid Mühlhäuser, Dr. phil. Anke Steckelberg
Aufklärung über Krebsfrüherkennung am Beispiel Mammographie- und Darmkrebs-Screening
Zeitschrift für Allgemeinmedizin 2005; 81 (12):