Biomarker Troponin: Rasche und sichere Herzinfarkt-Diagnose
Berlin (pts017/05.10.2016/12:20) – Zu den wichtigen
Innovationen der Herz-Kreislaufmedizin gehören Biomarker – ein Gebiet,
das sich besonders dynamisch entwickelt. Sie können die zuverlässige
Diagnose beim Herzinfarkt noch rascher und sicherer machen und zu einer
zielgenaueren Therapie beitragen. Fortschritte bringt hochsensitives
Troponin auch für die Entdeckung von Herzmuskelschädigungen, die nicht
auf einen Infarkt zurückgehen. Neueste Daten zeigen, dass das
diagnostische Potenzial von Troponin noch nicht ausgeschöpft ist.
"Es liegen immer mehr Daten vor, die zeigen, welchen
Wert Biomarker für die kardiologische Praxis entfalten können, wenn sie
mit höchster Spezifität und Sensitivität eine Schädigung des Herzmuskels
anzeigen", betonte Prof. Dr. Hugo Katus, Universitätsklinikum
Heidelberg, heute bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft
für Kardiologie im Vorfeld der DGK Herztage 2016. "Der Biomarker
Troponin, der als eine Methode zur Verbesserung der
Herzinfarktdiagnostik startete, hat zu einem regelrechten
Pardigmenwechsel in der Herzmedizin geführt. Neue Daten zeigen, dass
sein diagnostisches Potential noch nicht ausgeschöpft ist", so der
zukünftige Präsident der DGK.
Troponin verändert die Praxis der Herzmedizin
Biomarker sind körpereigene Moleküle, zum Beispiel
Proteine, Peptide, Metabolite oder Chemokine, die im Rahmen eines
Krankheitsprozesses vermehrt gebildet werden oder neu entstehen. In
anderen Fällen, zum Beispiel bei Infarktmarkern, werden sie durch
Schädigung der Zellmembran aus Zellen freigesetzt. "Biomarker können
also, sofern sie spezifisch einen Krankheitsprozess anzeigen und
Testsysteme mit ausreichender analytischer Qualität verfügbar sind, für
die Diagnostik und Prognose von Erkrankungen angewendet werden", so
Prof. Katus.
Der Biomarker Troponin (T und I) hat weltweit die
Praxis der Herzmedizin verändert, ist heute fester Bestandteil der
Leitlinien und gilt als Paradebeispiel dafür, was Biomarker leisten
können. Seit Prof. Katus und Mitarbeiter 1987 den Troponin T Assay
erfunden und entwickelt haben, wurden die Testsysteme kontinuierlich
verbessert. Prof. Katus: "Durch neueste Entwicklungen und weiter
optimierte Testsysteme können die Troponine nun mit sehr hoher
Empfindlichkeit im Blut nachgewiesen werden. Diese hochsensitiven Tests
eröffnen eine neue Dimension in der Erkennung von Krankheits- und
Umbauprozessen des Herzens und verändern nachhaltig die Diagnostik des
Herzinfarkts und der Herzmuskelschädigungen."
Noch schnellerer Ausschluss eines Herzinfarkts
Mit den hochsensitiven Assays können nun auch Blutwerte
von Troponin T und I unterhalb der bisher genutzten Grenzwerte gemessen
werden. "Überzeugende Daten aus mehreren neueren Studien belegen, dass
die Beurteilung von Troponinwerten, die sich noch im Normalbereich
bewegen, die Triage von Patienten mit Herzinfarktverdacht erheblich
beschleunigt", so Prof. Katus. Werden bei Patienten mit
Herzinfarktverdacht bei der Aufnahmetestung und der Kontrolle nach einer
Stunde Werte von Troponin im unteren Normbereich gefunden (für Troponin
T <5ng/L), kann bereits nach dieser kurzen Beobachtungszeit ein
akuter Herzinfarkt mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden.
"Durch diesen diagnostischen Ein-Stunden-Algorithmus
können 25 bis 40 Prozent aller Patienten mit akutem Brustschmerz
innerhalb einer Stunde mit der Diagnose Infarktausschluss von der
Notaufnahme entlassen werden", so Prof. Katus. "Diese Patienten mit
Thoraxschmerz, aber Werten von Troponin T oder I im unteren Normbereich,
haben auch kurz- und mittelfristig ein sehr niedriges kardiales Risiko:
Ihre Mortalität liegt in den nächsten 30 Tagen, sechs Monaten und zwei
Jahren bei 0,1, 0,8 und 1,2 Prozent."
Diese neuen Befunde haben zu einer Änderung der
Leilinien geführt, die nunmehr die Verwendung des
Ein-Stunden-Algorithmus – statt einer neuerlichen Tropinin-Messung drei
Stunden nach der Aufnahme – zum Infarktausschluss. Allerdings gilt diese
Empfehlung nur für hochsensitive Troponin-Assays.
Auch ohne Infarkt: Verringerte Lebenserwartung bei erhöhtem Troponin
Die Daten aus diesen Studien belegen allerdings auch,
dass bei Patienten mit Infarktverdacht nicht nur ein eindeutig erhöhter
Troponinwert über dem empfohlenen oberen Normwert (für Troponin T
>14ng/L), sondern auch schon messbare Troponinwerte im oberen
Normbereich (für Troponin T 6 bis 12ng/L), unabhängig von der
Entlassungsdiagnose, mit einem deutlich erhöhten kardialen Risiko
assoziiert sind.
"Die Mortalität nach zwei Jahren beträgt bei ihnen 15
Prozent gegenüber 1,2 Prozent bei niedrigen Troponinwerten", so Prof.
Katus. "Dies bestätigt Befunde aus früheren Untersuchungen. Demnach ist
jede Freisetzung von Troponin bei Patienten mit Thoraxschmerz,
unabhängig vom Vorliegen von EKG-Veränderungen, ein schlechtes Zeichen,
betroffene Patienten haben eine eindeutig verringerte Lebenserwartung."
Wichtige Hinweise liefern die Troponin-Werte auch für
die Wahl der Therapie, so Prof. Katus: "Patienten mit einem Troponinwert
über 14ng/L weisen eine hohe Herzinfarktrate und schlechte Prognose
auf, mit einer Mortalität von 2,7 Prozent nach 30 Tagen und 13 Prozent
nach zwei Jahren. Diese troponinpositiven NSTEMI-Patienten profitieren
von einer Koronarintervention, die Risikoreduktion für Tod und
Myokardinfarkt durch die Behandlung nach einem Jahr beträgt 39 Prozent.
Patienten mit instabiler Angina, also nicht erhöhten Troponinwerten,
erleiden hingegen durch die Koronarintervention sogar mehr Infarkte."
Mehr Herzinfarkt-Diagnosen – auch bei Patienten ohne kritische Verengung an den Herzkranzgefäßen
Durch die hochsensitiven Troponin-Tests werden
Herzinfarkte nicht nur rascher, sondern auch öfter diagnostiziert: Bei
Patienten mit akutem Koronarsyndrom werden um 20 Prozent mehr Fälle von
Herzinfarkt und entsprechend weniger Fälle von instabiler Angina
festgestellt als mit den normalen Troponin-Tests. Prof. Katus: "Die so
entdeckten Mikroinfarkte sind riskant und müssen entsprechend behandelt
werden. Wie in verschiedenen Studien gezeigt wurde, profitieren
Patienten auch bei sehr geringer Myokardschädigung von einer
aggressiveren Plättchenhemmung und einer Koronarintervention."
Allerdings können die hochsensitiven Tests auch zur
Verwirrung beitragen, gibt Prof. Katus zu bedenken: "Bei 20 bis 30
Prozent der Herzinfarktpatienten, die durch die gängigen
Infarktkriterien diagnostiziert werden, finden sich überraschenderweise
in der akut durchgeführten Herzkatheter-Untersuchung an den
Herzkranzgefäßen weder kritische Stenosen noch Verschlüsse."
Wird kein okkludierender Thrombus als Infarktursache
gefunden, so wird dies als Typ 2-Myokardinfarkt klassifiziert. Typ
2-Myokardinfarkte finden sich sehr häufig bei kritisch kranken Patienten
auf der Intensivstation. Die Prognose dieser Patienten ist deutlich
schlechter als die der Patienten mit einem typischen, durch
okkludierenden Thrombus verursachten, Typ 1-Infarkt. "Leider gibt es bis
heute noch keine standardisierten Therapieempfehlungen für die Typ
2-Herzinfarkte, die mit den neuen Troponin-Tests sehr häufig
diagnostiziert werden", so Prof. Katus.
Erhöhte Tropinin-Werte ohne Herzinfarkt: Gefährliche Herzmuskelschädigungen
Da Troponin durch jede Form der Herzmuskelschädigung
freigesetzt werden kann, gibt es auch Troponin-Erhöhungen, die nicht
durch einen Herzinfarkt entstehen. "Häufig findet sich in diesen Fällen
keine eindeutige zeitabhängige Konzentrationsveränderung von Troponin im
Blut, sondern eine nahezu konstante Erhöhung des Troponin über lange
Zeiträume", erklärt Prof. Katus. "Die Diagnose Myokardschaden ist sehr
wichtig, da sie mit einem hohen kardialen Risiko vergesellschaftet ist."
Eine solche Herzmuskelschädigung kann bei
unterschiedlichen Patientengruppen diagnostiziert werden: etwa bei
Personen mit akuten nicht-ischämischen kardialen Erkrankungen wie
Herzmuskelentzündungen, oder bei Patienten mit vermeintlich stabiler
chronischen kardialer Erkrankungen wie einer chronischen
Herzinsuffizienz, stabilen koronaren Herzkrankheit, chronischem
Vorhofflimmern oder kompensierten Herzklappenerkrankungen. "Erhöhte
Troponin-Werte bei Patienten mit chronischen, vermeintlich stabilen,
kardialen Erkrankungen sind mit einer hohen kardialen Ereignisrate
assoziiert", so Prof. Katus. "Diese Einsicht eröffnet völlig neue
Möglichkeiten der Risikostratifizierung und Therapiekontrolle."
Erhöhte Troponin-Werte können aber auch auf
Myokardschädigungen bei Patienten mit akuten oder chronischen
nicht-kardialen Erkrankungen hinweisen: etwa bei Pneumonie, COPD,
Niereninsuffizienz, Lungenhochdruck, Chemotherapie oder
Vasculitis-Syndromen. "Unabhängig von der Ursache der
Herzmuskelschädigung ist bei diesen Erkrankungen eine Beteiligung des
Herzens, erkennbar an den Troponin-Erhöhungen im Blut, regelhaft mit
einer erhöhten Mortalität von bis zu 40 Prozent im ersten Jahr
assoziiert."
Troponin-Werte im Blut haben sich darüber hinaus auch
als Prädiktoren für das kardiovaskuläre und Sterblichkeits-Risiko in
Risikogruppen oder auch bei vermeintlich gesunden Probanden erwiesen, so
Prof. Katus: "Die Wertigkeit von Troponin für die Abschätzung des
Herzrisikos blieb auch nach Adjustierung für die klinisch etablierten
Risikofaktoren bestehen."