Automobil mit Biomasse
.Holz und Pflanzen statt Benzin – das Thema des Exzellenzculsters "Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse"
Holz und Pflanzen statt Benzin – das Thema des Exzellenzculsters "Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse"
Energie ist auch im Automobilbereich Thema Nummer eins. Welche Alternativen es zu fossilen Brennstoffen gerade im Autoverkehr geben kann, erforscht der DFG-geförderte Exzellenzcluster „Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse“, der 2012 erneut für fünf Jahre bewilligt wurde. Dabei führt das Projekt Forschung zur Herstellung der Kraftstoffe mit der Entwicklung verbesserter Verbrennungsmotoren zusammen. Die Entwicklung der Herstellungsverfahren wird aus dem grundlegenden Verständnis der motorischen Verbrennung in einem zunehmend modellgestützten Design-Prozess abgeleitet. „Unser Cluster ist somit breit aufgestellt und in dieser Kombination weltweit einzigartig“, fasst Cluster-Sprecher Stefan Pischinger von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen zusammen.
Dabei ist es für den Cluster besonders wichtig, Produkte für Kraftstoffe aus dem Gerüstmaterial von Pflanzen zu gewinnen, um die Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung zu minimieren. So werden aus dem komplexen Rohstoff Lignozellulose über Fraktionierung und Stoffumwandlungen sogenannte Plattform-Chemikalien gewonnen, die sich dann in vielfältige, für Kraftstoffe geeignete Moleküle veredeln lassen. Bei diesem gezielten „Herunterbrechen“ der molekularen Strukturen müssen bio- und chemokatalytische Schritte kombiniert werden, um höhere Wirkungsgrade auch bei niedrigen Temperaturen zu erreichen.
Ein spannender Ansatz ist dabei die Verwendung von ionischen Flüssigkeiten – also von Salzen, die bei Raumtemperatur flüssig vorliegen – zur Integration von Stofftrennung und -umwandlung. „Wir haben große Fortschritte bei diesen ‚advanced solvents‘ gemacht, in denen sich die Biomasse auflöst und weiter verarbeitet werden kann“, erklärt Pischinger. Nun möchte der Cluster in der zweiten Förderphase verstärkt systematisch, das heißt mit einer breiten Datenbasis und verbesserten Modellen, nach besonders geeigneten Molekülen suchen, um nicht auf „Zufallsfunde“ angewiesen zu sein. Dabei reicht auch im Grundlagenforschungslabor mit seinen kleinen Mengen der Blick immer bis in die Anwendung. Das Ziel sind Technologien, die später auch im industriellen Maßstab funktionieren und bezahlbar bleiben. „In der Verfahrenstechnik ist gerade ein Antrag für ein neues Gebäude bewilligt worden, in dem wir in den kommenden Jahren den Prototyp einer Bio-Raffinerie auf Basis des TMFB-Konzepts aufbauen wollen, der den Gesamtprozess mit allen seinen Schritten zeigt“, sagt Pischinger.
.Eines der Labore in Aachen
© Exzellenzcluster TMFB
Vergrößern
Eines der Labore in Aachen
© Exzellenzcluster TMFB
Bei der Motorenentwicklung, dem zweiten Schwerpunkt des Clusters, stehen Dieselmotoren im Fokus, die dank der Anpassung der Verbrennungsprozesse und des ohnehin im maßgeschneiderten Biokraftstoff vorhandenen Sauerstoffs nicht mehr rußen und aufgrund intelligenter Abgasrückführung weniger Schadstoffe ausstoßen. Die mit den gezielt hergestellten Kraftstoffen betriebenen Otto-Motoren des Clusters „klopfen“ nicht mehr und erzielen einen um zehn Prozent höheren Wirkungsgrad als herkömmliche Motoren. „Das sind zwei Beispiele für Entwicklungen, die ökologischen Fortschritt mit einem echten Qualitätsgewinn verbinden“, betont Pischinger. Dafür arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Clusters beispielsweise auch Hand in Hand mit dem Aachener Sonderforschungsbereich „Modellbasierte Regelung der homogenisierten Niedertemperatur-Verbrennung“.
Den steten Austausch der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen und die neuen Ideen, die daraus entstehen, hält Pischinger für ein großes Plus der Arbeit in Aachen. Der Exzellenzcluster führt dabei die Expertise der RWTH mit der der beteiligten außeruniversitären Einrichtungen wie dem Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr oder dem Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie zusammen. Das befördert nicht nur den fruchtbaren Diskurs unter den Professoren, sondern auch die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
„Gut und interdisziplinär ausgebildete Kräfte sind extrem wichtig – für Aachen, aber auch für den Standort Deutschland“, sagt Pischinger. In diesem Sinne wird auch das im Herbst 2012 bewilligte Graduiertenkolleg zu „Integrierten Energieversorgungsmodulen für straßengebundene Elektromobilität“ arbeiten, dessen Sprecher Pischinger ist. In diesem Projekt geht es um Batterien, Elektromotoren und damit im Besonderen um Elektrotechnik und -chemie. Dabei sieht er Elektromobilität und Verbrennungsmotoren mit regenerativen Kraftstoffen nicht in Konkurrenz, sondern hält eine Kombination der verfügbaren Technologien für sinnvoll: „Für kurze Strecken ist ein Elektroantrieb durchaus attraktiv.“ In der Praxis zeige das beispielsweise die Campus- Flotte der RWTH mit elf selbst umgebauten Elektro-Kleinwagen.
Über Mangel an qualifiziertem Nachwuchs kann die RWTH laut Pischinger nicht klagen: „Gerade die Bereiche Energietechnik, Kraftstoffe und Elektromobilität werden als Zukunftsthemen an der Schnittstelle von Natur- und Ingenieurwissenschaften wahrgenommen und sind bei den Studierenden beliebt.“ Dazu trage sicher auch das große Interesse der Industrie an den Absolventen bei. Eine Herausforderung für die Forschung: „Wir müssen uns richtig Mühe geben, damit einige unserer Studierenden dann auch in der Wissenschaft bleiben.“ Pischinger sieht den Cluster, unter anderem dank englischsprachiger Vorlesungen, jedoch gut aufgestellt, um auch ausländische Kräfte für die Forschung zu rekrutieren.
Ein weiterer Baustein ist eine proaktive Öffentlichkeitsarbeit: Bei Messeauftritten, der RWTH-Wissenschaftsnacht und auch lokal präsentiert sich der Cluster. In der Diskussion um „Tank statt Teller“ leisten Pischinger und seine Kolleginnen und Kollegen Aufklärungsarbeit, betonen aber eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit des Exzellenzclusters: Von Beginn an stand fest, dass die maßgeschneiderten Kraftstoffe aus Biomasse entstehen müssen, die nicht für Nahrungsmittel nutzbar ist. Hinzu kommt laut Pischinger die gesteigerte Effizienz: „Wenn bei der Herstellung dank neuer Technologien doppelt so viel Kraftstoff produziert wird und sich zusätzlich der Wirkungsgrad in den neuartigen Motoren verdoppelt, kann der Beitrag der Biomasse zur Mobilität vervierfacht werden.“ Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Clusters arbeiten jedoch daran, zukünftig noch bessere Ergebnisse zu erzielen und so nachhaltige Mobilität zu ermöglichen.