Auf dem Weg zur KI-Forschungsfabrik

Mit dem
gemeinsamen Spatenstich der Kooperationspartner Karlsruher Institut für
Technologie (KIT) und Fraunhofer-Gesellschaft hat die „Karlsruher
Forschungsfabrik“ ihren baulichen Anfang genommen. In der
15-Millionen-Anlage auf dem Campus Ost des KIT sollen ab Ende 2020 neue
Produktionstechnologien mithilfe modernster Digitalisierungsmethoden
deutlich schneller als bisher geplant, getestet und in die Industrie
überführt werden. Das Projekt wird einen wichtigen Beitrag zu der jüngst
beschlossenen „Strategie Künstliche Intelligenz“ der Bundesregierung
leisten und gilt als bedeutsam für die Innovationskraft des Standorts
Deutschland.

Einen Großteil seines
Wohlstands verdankt Deutschland der Fähigkeit, innovative Produkte
schnell und immer wieder auf den Weltmarkt zu bringen. Die Herstellung
dieser Produkte muss sich im Zeitalter von globalem Wettbewerb,
Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz beständig neu erfinden. Zum
einen, um wissenschaftliche und technologische Vorsprünge auf
Wettbewerber und Nachahmer zu wahren. Zum anderen, um im Spannungsfeld
neuer Technologien, komplexer Fertigungsprozesse, zunehmender
Individualisierung und extremer Variantenvielfalt zu bestehen. Vor dem
Hintergrund dieser Herausforderung sind das KIT mit seinem wbk Institut
für Produktionstechnik und die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren
Instituten für Chemische Technologie ICT und für Optronik, Systemtechnik
und Bildauswertung IOSB übereingekommen, auf dem Campus Ost des KIT die
Karlsruher Forschungsfabrik zu errichten.

„Die Karlsruher
Forschungsfabrik ist der Musterfall einer disziplinübergreifenden
Kooperation starker Partner zum Nutzen der vital wichtigen
Innovationsfähigkeit unseres Landes“, sagt der Präsident des KIT,
Professor Holger Hanselka. „Durch die zielgerichtete und frühzeitige
Einbindung kleiner und mittlerer Unternehmen in die Forschungsfabrik
stärken wir zudem die Anziehungskraft von Stadt und Region“, so
Hanselka.

Dr. Raoul Klingner,
Direktor Forschung der Fraunhofer-Gesellschaft, sagt: „Wir freuen uns,
unsere besondere Stärke in der anwendungsorientierten Forschung in diese
enge Kooperation mit dem KIT einzubringen – und zwar sowohl im Bereich
der Werkstoff-, Fertigungs- und Verfahrenstechnik als auch in der
Automatisierungs-, Sensor- und Informationstechnik.“

Zielsetzung und wissenschaftlicher Ansatz

Ziel der Karlsruher
Forschungsfabrik ist es, Vorsprünge bei neuen, herausfordernden
Fertigungsverfahren systematisch zu erarbeiten und auszubauen. Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen lernen, wie man bereits
sehr früh – das heißt, wenn die für ein neues Produkt erforderlichen
Fertigungsprozesse noch nicht vollständig verstanden und beherrscht
werden – qualitativ hochwertige Produkte herstellen kann. Mithilfe
modernster Mess-, Sensor- und Regelungstechnik wollen sie Methoden
entwickeln, die geeignet sind, neue Produktionstechnologien schnell in
sichere und profitable industrielle Fertigungsprozesse umzusetzen.
Hierbei kann die Produktion schon sehr früh anlaufen, weil intelligente
Prozessregelungen dafür sorgen, dass trotz der noch unreifen
Fertigungstechnologien erste, qualitativ einwandfreie Produktexemplare
hergestellt werden. 

Konkret geschieht dies
folgendermaßen: Verfahren des Maschinellen Lernens und der Künstlichen
Intelligenz nutzen die von Sensoren erhobenen Daten, um Korrelationen
zwischen qualitätsbezogenen Daten und Prozessparametern zu erkennen. Auf
diese Weise „lernt“ die bereits in Betrieb befindliche
Fertigungsanlage, welche Parameter gute Ergebnisse produzieren.
Erklärtes Ziel der Forschungsfabrik-Akteure ist es, Maschinelles Lernen
und Künstliche Intelligenz nicht nur auf einzelne Fertigungsschritte
oder unmittelbar aufeinanderfolgende Prozesse anzuwenden, sondern ganze
Prozessketten zu erfassen und zu verbessern.

Die so signifikant
verkürzte „Time-to-Market“ soll es insbesondere kleinen und mittleren
Unternehmen ermöglichen, mit neuen Produkten sehr viel früher als bisher
auf den Zielmärkten präsent zu sein. Die beteiligten Institute wbk
(KIT), ICT und IOSB (Fraunhofer) vereinen jene Kompetenzen in der
Produktions-, Fertigungs- und Verfahrenstechnik sowie in der
Automatisierungs-, Sensor- und Informationstechnik, die notwendig sind,
um diese wissenschaftlich anspruchsvolle Zielsetzung umzusetzen.
Anwendungsfelder der Forschungsfabrik sind Elektromobilität und
Leichtbau, aber auch andere innovative Felder, für die es mit Industrie
4.0- und KI-Methoden eine intelligente und wirtschaftliche
Produktionstechnik zu etablieren gilt.

„Die schnelle
Industrialisierung von neuen, innovativen Produktionstechnologien ist
zur Stärkung des Produktionsstandorts Deutschland essenziell“, betont
Professor Jürgen Fleischer, Leiter des wbk Instituts für
Produktionstechnik des KIT und Leiter des Bereichs Maschinen, Anlagen
und Prozessautomatisierung am wbk. „Das Alleinstellungsmerkmal der
Karlsruher Forschungsfabrik ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von
Produktionsforschung, Automatisierungstechnik und Informatik unter
einem Dach.“

Professor Frank
Henning, stellvertretender Leiter des Fraunhofer ICT und Inhaber des
Lehrstuhls für Leichtbautechnologie am Institut für
Fahrzeugsystemtechnik des KIT, sieht „in der Interdisziplinarität und
der effizienten Nutzung von Prozessdaten in komplexen Prozessen den
Schlüssel zur nachhaltigen Fertigung am Standort Deutschland.“

Professor Jürgen
Beyerer, Leiter des Fraunhofer IOSB sowie Inhaber des Lehrstuhls für
Interaktive Echtzeitsysteme am Institut für Anthropomatik des KIT, weist
auf ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Forschungsfabrik hin:
„Entscheidend ist die Verbindung aus umfassender Sensorik und der
Auswertung der damit gewonnenen Daten, unter anderem mit Methoden des
Maschinellen Lernens und deren verständlicher Visualisierung. Auf dieser
Basis lassen sich unreife Fertigungsprozesse explorieren, verstehen und
viel gezielter als heute optimieren.“

„Die Forschungsfabrik
und die dort zu entwickelnden Methoden und Werkzeuge des Maschinellen
Lernens und der gezielten Suche nach Prozessparametern sind eine erste
Ausprägung der in der aktuellen KI-Strategie der Bundesregierung
formulierten Ziele“, erläutert Dr. Olaf Sauer, der als Stellvertreter
des Institutsleiters am IOSB die Planung der Karlsruher Forschungsfabrik
auf Seiten der Fraunhofer-Gesellschaft koordiniert.

Kooperation mit Industriepartnern

Die in der Karlsruher
Forschungsfabrik zu entwickelnde Methodik der  schnellen
Industrialisierung neuer Produktionstechnologien verspricht den
zahlreichen innovativen kleinen und mittleren Unternehmen in
Baden-Württemberg entscheidende Vorteile im globalen Wettbewerb. Um
Ergebnisse zielgerichtet und schnell zu transferieren, sollen
interessierte Unternehmen deshalb von Anfang an eingebunden werden –
durch enge Kooperationen, Verbundprojekte und Workshops. Zugleich gehen
KIT und Fraunhofer davon aus, dass die Forschungsfabrik mit ihren
attraktiven Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter im angewandten
Forschungsumfeld langfristig zum Aufbau und Erhalt der
Innovationsführerschaft der TechnologieRegion Karlsruhe in der
Werkstoff-, Produktions- und Informationstechnik beitragen wird. Über
die Lehre am wbk Institut für Produktionstechnik ist die
Forschungsfabrik darüber hinaus mit der kommenden Ingenieur-Generation
verbunden.

Eckdaten zum Bau der Forschungsfabrik

Ihren Standort wird die
Karlsruher Forschungsfabrik auf dem Campus Ost des KIT beziehen. Für
die Umsetzung der Baumaßnahme ist ein Gesamtbudget von rund 15 Millionen
Euro vorgesehen. Zu diesem tragen die Kooperationspartner KIT und
Fraunhofer jeweils die Hälfte bei; hinzu kommen Investitionen in die
Erstausstattung der Fertigungshallen, Labore und Büros. Nach der
Grundsteinlegung im Sommer 2019 wird das L-förmige Gebäude ab Ende 2020
auf zwei Stockwerken und einer Fläche von 4500 Quadratmetern rund 70
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beherbergen. Darüber hinaus
bietet es 50 Arbeitsplätze für Kooperationspartner aus der Industrie.
Die Eröffnung ist für Ende 2020 geplant.

Das Projekt „Karlsruher
Forschungsfabrik“ wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung, vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Baden-Württemberg, vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und
Wohnungsbau Baden-Württemberg sowie durch den Europäischen Fonds für
regionale Entwicklung.