Auf dem Weg zum Forschungsreaktor – Fortschritte

Erfolgreiche zweite Experimentrunde mit Wendelstein 7-X
Neue Stellarator-Rekorde erreicht / nächste Umbau-Phase plangemäß begonnen

Die
von Juli bis November an der Fusionsanlage Wendelstein 7-X
im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald gelaufenen
Experimente brachten höhere Werte für die Dichte und den Energieinhalt
des Plasmas sowie lange Entladungsdauern bis zu 100 Sekunden –
Rekordergebnisse für Anlagen vom Typ Stellarator. Inzwischen hat die
nächste Runde des schrittweisen Ausbaus von Wendelstein 7-X begonnen.
Sie soll die Anlage fit machen für höhere Heizleistungen und längere
Entladungen. Wendelstein 7-X, die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ
Stellarator, soll die Kraftwerkseignung dieses Bautyps untersuchen.

Im
Verlauf der schrittweisen Aufrüstung von Wendelstein 7-X wurde das
Plasmagefäß seit September letzten Jahres mit einer Innenverkleidung
ausgestattet. Kacheln aus Grafit schützen seither die Gefäßwände. Hinzu
kam der sogenannte Divertor, mit dem sich Reinheit und Dichte des
Plasmas regeln lassen. In zehn breiten Streifen an der Wand
des Plasmagefäßes folgen die Divertor-Kacheln der Kontur des
Plasmarandes. Sie bedecken speziell die Wandbereiche, auf die Teilchen
aus dem Rand des Plasmas gezielt gelenkt werden. Nach drei Monaten des
Experimentierens mit der neuen Ausrüstung begann Ende 2017 die nächste
Ausbau-Runde; unter anderem wurden neue Messgeräte und Heizsysteme
installiert. Ab Juli 2018 wurden die Experimente wieder aufgenommen.

Hatte
der Divertor bereits zuvor seine gute Wirkung gezeigt, so konnten die
Plasmawerte mit der aufgestockten Plasmaheizung und
gereinigten Gefäßwänden jetzt deutlich gesteigert werden. Die neu
installierte Neutralteilchen-Heizung schießt schnelle Wasserstoffatome
in das Plasma hinein, die ihre Energie über Stöße an die Plasmateilchen
abgeben. Das Ergebnis waren hohe Plasmadichten bis zu 2 x
10**20 Teilchen pro Kubikmeter – Werte, wie sie für ein künftiges
Kraftwerk ausreichen. Zugleich erreichten die Ionen und Elektronen des
Wasserstoff-Plasmas die beachtliche Temperatur von 20 Millionen
Grad Celsius.

Stellarator-Rekordwerte konnte Wendelstein 7-X für die im
Plasma gespeicherte Energie erzielen: Mit starker Mikrowellen-Heizung
überstieg der Energieinhalt des Plasmas erstmalig ein Megajoule, ohne
dass die Gefäßwand zu heiß wurde. Bei guten Plasmakenngrößen
gelangen zudem langlebige Plasmen von 100 Sekunden Dauer – ebenfalls
einer der bislang besten Stellarator-Werte.

Diese
erfreulichen Resultate brachten dem Projekt große Aufmerksamkeit auf
den diesjährigen internationalen Konferenzen. Auch
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek ließ es sich nicht nehmen, die
Ergebnisse zu kommentieren: „Glückwunsch an das Team des Wendelstein
7-X zu dem neuen Weltrekord. Der Weg ist richtig – so konnten wichtige
Erkenntnisse für den künftigen Einsatz von Fusionskraftwerken gewonnen
werden. Fusionsenergie könnte neben den Erneuerbaren Energien DIE
Energiequelle der Zukunft sein. Die Forscher in Greifswald haben mit
ihrer Arbeit dazu einen wichtigen Schritt getan. Ich wünsche dem Team
viel Erfolg auch bei seinen weiteren Arbeiten.“

Mitte
Oktober liefen die letzten Experimente; inzwischen hat die nächste
Ausbaurunde an Wendelstein 7-X begonnen. Um die Heizenergie weiter
steigern zu können, ohne die Gefäßwand zu überlasten, werden in
den kommenden zwei Jahren die jetzigen Graphitplatten des Divertors
durch wassergekühlte Elemente aus
kohlenstofffaserverstärktem Kohlenstoff ersetzt. So ausgerüstet, wird
man sich schrittweise an 30 Minuten andauernde Plasmen heranarbeiten.
Dann lässt sich überprüfen, ob Wendelstein 7-X seine Optimierungsziele
auch im Dauerbetrieb – dem wesentlichen Plus der Stellaratoren
– erfüllen kann.           

Hintergrund: 

Ziel der Fusionsforschung ist es, ein klima- und
umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll
es aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Weil
das Fusionsfeuer erst bei Temperaturen über 100 Millionen Grad zündet,
darf der Brennstoff – ein dünnes Wasserstoffplasma – nicht in Kontakt
mit kalten Gefäßwänden kommen. Von Magnetfeldern gehalten, schwebt er
nahezu berührungsfrei im Inneren einer Vakuumkammer.

Den magnetischen
Käfig von Wendelstein 7-X erzeugt ein Ring aus 50 supraleitenden, etwa
3,5 Meter hohen Magnetspulen. Ihre speziellen Formen sind das
Ergebnis ausgefeilter Optimierungsrechnungen. Obwohl Wendelstein 7-X
keine Energie erzeugen wird, soll die Anlage beweisen, dass
Stellaratoren kraftwerkstauglich sind. Mit Wendelstein 7-X soll die
Qualität des Plasmaeinschlusses in einem Stellarator erstmals das Niveau
der konkurrierenden Anlagen vom Typ Tokamak erreichen.

Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP)