Atemwegsbakterium löst Nervenkrankheit GBS aus
Mycoplasma pneumoniae: löst das GBS aus (Foto: Front Microbiol.2016;7:329) |
Zürich (pte006/03.10.2016/10:30) –
Das häufig Lungenentzündungen verursachende Bakterium Mycoplasma
pneumoniae kann die Autoimmunkrankheit GBS, das Guillain-Barré-Syndrom,
auslösen. Verantwortlich dafür sind Antikörper, die nicht nur die
Bakterien, sondern gleichzeitig die Hülle der körpereigenen Nervenzellen
angreifen, wie Forscher unter Beteiligung der Universität Zürich http://uzh.ch herausgefunden haben.
Mykoplasmen erstmals kultiviert
Den Experten ist es erstmals gelungen, die sogenannten
Mykoplasmen von einem GBS-Patienten im Labor zu kultivieren.
Ausschlaggebend ist die große Ähnlichkeit von Strukturen auf der
Oberfläche der Bakterien mit körpereigenen Strukturen der
Nervenscheiden. Diese führt dazu, dass sich die Immunabwehr sowohl gegen
die Mykoplasmen als auch gegen die umhüllende Myelinschicht von
Nervenbahnen richtet.
"Dabei handelt es sich um Antikörper, die ein
bestimmtes bakterielles Glykolipid erkennen: ein Zucker-Fett-Molekül,
das auf der Zellmembran der Erreger sitzt. Diese Antikörper binden
gleichzeitig an Galactocerebrosid (GalC), einer der häufigsten Bausteine
im menschlichen Myelin", sagt Erstautor der Studie, Patrick Meyer
Sauteur. Diese fettreiche Substanz stelle die elektrische Leitfähigkeit
der Nervenfasern sicher. Werde sie zerstört, komme es zu Lähmungen an
Armen und Beinen, Schwäche und Empfindungsstörungen.
Bereits zuvor wurden bei GBS-Patienten vereinzelt
Antikörper gegen GalC nachgewiesen. Auch beim erwähnten Patienten fanden
sich solche, und ihre Konzentration im Blut korrelierte mit dem
Krankheitsverlauf. Tatsächlich reagierten die Anti-GalC-Antikörper in
Tests am stärksten mit dem vom Patienten entnommenen und im Labor
kultivierten Bakterienstamm. Auch weitere Mykoplasmen-Stämme reagierten,
wenn auch schwächer, wohingegen andere Bakterienarten nicht erkannt
wurden. Somit war der Nachweis der Kreuzreaktivität des Antikörpers
erbracht.
189 Erwachsene und 24 Kinder untersucht
189 Erwachsene und 24 Kinder mit GBS wurden auf
Antikörper gegen Mykoplasmen und GalC untersucht, die sie mit einer
Kontrollgruppe von 677 Personen verglichen. Dabei fand sich bei drei
Prozent der Erwachsenen und 21 Prozent der Kinder eine kürzliche
Mykoplasmen-Infektion – häufiger als bei den gesunden Kontrollpersonen.
Nahezu gleich oft ließen sich im Blut Antikörper gegen GalC nachweisen:
bei drei Prozent der Erwachsenen und 25 Prozent der Kinder. Und auch
diese reagierten mit mehreren Bakterienstämmen.
Es fanden sich Anti-GalC-Antikörper auch bei Patienten
ohne GBS, die zuvor mit Mykoplasmen infiziert wurden. Allerdings waren
diese ausschließlich vom Antikörper-Isotyp M, dem im Verlauf einer
Immunartwort am frühesten gebildeten Typ. Die Anti-GalC-Antikörper bei
GBS-Patienten waren dagegen vom Typ IgG. "Wir vermuten daher, dass
dieser Wechsel des Antikörper-Typs für die Entstehung von GBS
mitverantwortlich ist. Auch bei anderen Autoimmunkrankheiten nimmt man
an, dass ein solcher Wechsel des Antikörper-Typs die Erkrankung
verursacht", so Meyer Sauteur. Dagegen gerichtete Immuntherapien könnten
GBS wirksam behandeln.