Kritik an Handys und Social Media – Mit einem Vorwort von Jean Pütz

Vor- und Nachteile der Technik, die sich in den letzten 50 Jahren
explosionsartig entwickelt hat, waren in dieser Form nicht voraussehbar.
Manchmal beherrschen sie mittlerweile unseren Alltag. Das gilt vor
allen Dingen für das sogenannte Handy. Es fing ganz harmlos an, von
überall her konnte man telefonieren und erreicht werden. Aber als
Smartphone entwickelte es sich zu einer Krake. Was kaum jemand bedenkt,
dahinter steckt die Tatsache, dass die Hardleiter-Technik es in diesen
Jahren ermöglicht hat, Prozessoren und Speicher-Medien zu schaffen, die
aus dem Handy extrem leistungsfähige Computer gemacht haben. Als ich
1971 meine erste Sendereihe 13 Folgen ‚Einführung in die Elektronik‘
produzierte und mit dem Begleitbuch einen Bestseller erzeugte, konnte
ich nicht ahnen, dass 45 Jahre später ein Smartphone eine Technologie
beinhaltet,  die früher nur in großen Sälen hätte untergebracht werden
können. Auch meine zwei Jahre später ausgestrahlte Sendereihe
‚Digitaltechnik – eine Einführung‘, bestehend aus ebenfalls 13 Folgen
und vier Seminaren, die vom VDI veranstaltet wurden, erwies sich zwar
als Einstieg in das digitale Zeitalter, aber das was sich heute bis hin
zur ‚Künstlichen Intelligenz‘ entwickelt hat, konnte kaum voraussehbar
sein. Insbesondere die sozialen Medien ermöglichen zwar, dass der
einzelne Mensch noch niemals zuvor über so viel Informationen verfügen
konnte wie heute. Anfangs glaubte man, das würde die Demokratie stärken.
Doch genau das Gegenteil ist der Fall. eine psychologische und
soziologische Eigenschaft des Menschen – ich nenne sie die selektive
Wahrnehmung – hat dazu geführt, dass sie in der Regel nur das aufnehmen,
was in ihr eigenes Weltbild passt, verbunden mit allen Vorurteilen. Die
Folge ist, geschickte Demagogen und verbrecherische Elemente können die
Meinungsbildung so beeinflussen, dass wissenschaftliche Relevanz und
physikalische und soziologische Gesetzmäßigkeiten offenbar keine Rolle
mehr spielen was die öffentliche Meinung anbelangt. Hinzu kommt, dass
gefühlsgesteuerte Menschen in ihrem täglichen Nachrichtenkonsum
suchtgesteuert sind und sich wie durch den Rattenfänger von Hameln
beeinflussen lassen. Dann kommt es dazu, dass – unterstützt durch
automatische E-Mails und Fake News – das Urteilsvermögen so
beeinträchtigt wird, dass Autokraten wie Trump in den USA, Bolsonaro in Brasilien, Erdogan in der Türkei und Orbán in Ungarn und Duda in Polen u. a. ein leichtes Spiel haben und sozusagen das postfaktische
Zeitalter einläuten konnten. Das Beispiel macht immer mehr Schule und
unterhöhlt vernunftbezogene Politik, wie das im BREXIT zum Vorschein
gekommen ist. Mit Demokratie im ursprünglichen Sinne hat das nichts mehr
zu tun.

Um ein wenig gegen zu steuern, unterhalte ich seit 15 Jahren diese
Homepage, die übers Internet große Verbreitung finden, aber seit zwei
Jahren auch eine offizielle Seite bei Facebook, wo ich niemals private
Informationen verbreite, sondern ausschließlich unter dem Titel ‚Der
Vernunft eine Chance‘ Kommentare, die die Widersprüche in der Politik im
Verständnis der Wissenschaft und vielen anderen konterkarieren soll.
Immerhin gelingt es mir über Facebook teilweise über 200 000 Bürger
anzusprechen. Doch mir ist bewusst, dass das nur einen Tropfen auf den
heißen Stein darstellt.

Dass ich mit meiner Skepsis nicht allein dastehe, beweist der folgende Artikel aus Österreich

Jean Pütz

 

pte20181229001 Medien/Kommunikation, Politik/Recht

2018: Kritik an Handys und Social Media

Wissenschaftlich belegte Smartphone-Sucht, Extremismus, Fake News und strengerer Datenschutz

(pte001/29.12.2018/06:00) – Kaum eine andere Erfindung hat den Alltag
in den vergangenen Jahren so drastisch verändert wie das Handy. Doch
Vorsicht: Smartphones haben echtes Suchtpotenzial, wie Experten 2018
vielerorts feststellen mussten. Eine ähnliche Schattenseite verorten sie
auch bei sozialen Medien wie Facebook und Co. Deren Nutzung kann aber
nicht nur abhängig machen, sondern ist auch aufgrund des dort
verbreiteten Hasses und Extremismus zunehmend problematisch. Erschwerend
hinzu kommt die Tatsache, dass die diversen Anbieter das Problem von
Fake News genauso wenig in den Griff bekommen wie den Datenschutz.

Erschreckendes Suchtverhalten

Handys sind als kleine mobile Alleskönner für viele Menschen
mittlerweile zu einem wichtigen Bestandteil ihres Lebens geworden.
Manche lieben ihr Smartphone sogar so sehr, dass sie sich lieber einen
Finger abschneiden lassen würden, als darauf verzichten zu müssen
(siehe: http://pte.com/news/20180703004 ). Erschreckend ist, dass ein Suchtverhalten in Bezug auf die
Handy-Nutzung vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten ist.
Zwei Drittel der Eltern machen sich deshalb Sorgen um ihre Sprösslinge,
geben aber auch selbst zu, zu viel Zeit mit ihrem Mobiltelefon zu
verbringen (siehe: http://pte.com/news/20180824003 ).

Smartphone-Sucht verleitet Nutzer dabei oft auch zu besonders
unvernünftigem Verhalten. So zeigte etwa eine Studie der University of
Pennsylvania, dass jeder zweite US-Amerikaner auch dann im Auto
telefoniert, wenn Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren mitfahren
(siehe: http://pte.com/news/20180713002 ). Jeder Vierte kann im Bett nicht die Finger vom Handy lassen und chattet selbst im Halbschlaf noch mit Freunden (siehe: http://pte.com/news/20181205001 ). Auch am Arbeitsplatz hinterlässt diese Entwicklung Spuren: 92
Prozent der Angestellten in den USA werfen alle 20 Minuten einen Blick
auf ihr Mobilgerät, um stets auf dem neuesten Stand zu bleiben (siehe: http://pte.com/news/20181011023 ).

Interessant ist, dass das Handy anscheinend generell immer seltener zum
Telefonieren benutzt wird. Die britische Netzagentur Ofcom bestätigte,
dass die Zahl der klassischen Telefonate auf mobilen Endgeräten 2017
erstmals zurückgegangen ist. „Sie werden wohl zunehmend durch die
Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter und WhatsApp ersetzt“,
vermuten die Experten. Das sei nicht nur in Großbritannien so, sondern
auch in Deutschland und in anderen Industrieländern (siehe: http://pte.com/news/20180806003 ).

Hass und Extremismus

Gerade die sozialen Online-Medien standen 2018 in einem schlechten
Licht: erstens, weil auch hier immer mehr Experten vor einem
Suchtverhalten warnen (siehe: http://pte.com/news/20180227020 ) und zweitens, weil die verschiedenen Plattformen vielfach zur
gezielten Verbreitung von Hass und Extremismus beitragen. Das ist ein
Problem, das inzwischen auch von den politischen Entscheidungsträgern
erkannt worden ist. Die EU-Kommission hat deshalb im September einen
Gesetzesentwurf vorgestellt, der den Internetfirmen eine Stunde Zeit
gibt, um extremistische Inhalte von ihren Seiten zu entfernen –
ansonsten drohen hohe Geldstrafen (siehe: http://pte.com/news/20180912013 ).

Google, Facebook, Twitter und Co versuchen auch selbst, aktiv gegen
derart problematisches Material vorzugehen. Der Mikroblogging-Dienst
Twitter kündigte Mitte Oktober an, Tweets von Nutzern, die gegen die
Regeln des Unternehmens verstoßen, künftig unzugänglich zu machen
(siehe: http://pte.com/news/20181018016 ). Auch beim größten Netzwerk Facebook reagierte man endlich auf die
anhaltende Kritik, zu wenig gegen Hass und Verhetzung auf dem eigenen
Portal zu unternehmen. Eigenen Angaben zufolge sollen alleine im dritten
Quartal dieses Jahres rund drei Mio. terroristisch motivierte Beiträge
von der Seite entfernt worden sein (siehe: http://pte.com/news/20181109018 ).

Kampf gegen Fake News

Das Image der sozialen Medien wurde aber auch durch den anhaltenden
Kampf gegen Manipulation und Fake News weiter angekratzt. „Ein Erfolg
stellt sich bislang nicht ein, das Problem bleibt“, so das Urteil einer
Untersuchung mehrerer US-Universitäten (siehe: http://pte.com/news/20181105017 ). Twitter werde beispielsweise nach wie vor mit Falschmeldungen
geflutet – pro Tag sollen es eine Mio. Tweets sein, wie eine Analyse zum
Wahrheitsgehalt entsprechender Meldungen auf der Seite ergab (siehe: http://pte.com/news/20181005014 ). Die Mehrheit der Fakes werde dabei nicht von Menschen online gestellt, sondern automatisch erzeugt und verbreitet.

Dass die Verwendung von Bots im Zusammenhang mit irreführenden Postings
2018 rasant zugenommen hat, bestätigte eine Forschungsarbeit aus Oxford.
Diese hat Manipulations-Kampagnen von politischen Parteien in 48
Ländern entdeckt und berichtet davon, dass sie vor allem während
Wahlperioden deutlich zunehmen (siehe: http://pte.com/news/20180724002 ). In den USA sind es wenig überraschend die politisch rechts stehenden
Nutzer und Trump-Anhänger, die auf Facebook und Co bei der Verbreitung
von Fake News ganz vorne liegen (siehe: http://pte.com/news/20180207003 ).

Neue Datenschutzregeln

Manipulation ist nichtzuletzt auch ein Vorwurf, den sich die
Internetkonzerne angesichts der Ende Mai in Kraft getretenen
EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gefallen lassen müssen. Experten
des Norwegian Consumer Council stellten diesbezüglich Ende Juni
unmissverständlich klar, dass die aktuellen Datenschutz-Updates von
Firmen wie Google oder Facebook nicht mit den neuen EU-weiten Regeln
vereinbar sind. Ihrer Meinung nach zeige das „einen Mangel an Respekt
für Nutzer und eine bloß vorgegaukelte Kontrolle über persönliche Daten“
(siehe: http://pte.com/news/20180628024 ).

Die Einschätzung, dass die Privatsphäre der User besser vor möglichem
Missbrauch geschützt werden muss, scheint sich aber nicht nur innerhalb
der EU, sondern auch der USA immer stärker durchzusetzen. Dort legte die
Interessenvertretung für Verbraucherschutz U.S. PIRG im April einen
Vorschlag für strengere Regeln vor, der gewissermaßen eine „DSGVO light“
darstellt (siehe: http://pte.com/news/20180411003 ).