IWF
warnt vor Gold als Brandbeschleuniger für Finanzkrisen
Stand:
26.02.2019
Von
Daniel Eckert, Holger Zschäpitz
Der IWF sieht hartes Geld als Krisenverstärker –
und nennt als Beweis die deutsche Geschichte. Die Festlegung auf Gold habe die
Welt in eine Depression getrieben. Setzt sich diese Lesart durch, hätte das
einschneidende Konsequenzen für Sparer.
Wer sich anschaut, woran die
Wissenschaftler des Internationalen Währungsfonds (IWF) gerade arbeiten, könnte
leicht den Eindruck gewinnen: Die Washingtoner Institution bereitet sich
insgeheim auf die nächste große Finanzkrise vor. Zuletzt machte der 1945 kurz
nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Fonds mit der Idee Schlagzeilen, die
Haltung von Bargeld zu bestrafen.
Jetzt
arbeitet sich die wissenschaftliche Abteilung des IWF an der Geschichte ab und
zieht daraus Schlussfolgerungen, die das Zeug haben, unmittelbar auf die
Politik einzuwirken, mit potenziell weitreichenden Folgen für Sparer und
Anleger.
In
einer harmlos „Diskussionspapier“ überschriebenen aktuellen Publikation setzt
sich IWF-Ökonom Johannes Wiegand mit der Einführung des Goldstandards im Europa
des 19. Jahrhunderts auseinander. Er macht Deutschlands einseitigen Übergang
zur Goldwährung nach
der Reichsgründung von 1871 für die große Wirtschaftskrise der 1870er-Jahre
mitverantwortlich.
Die
Festlegung der Währungspolitik auf ein Edelmetall habe Europa in eine Deflation
getrieben und eine wirtschaftliche Abwärtsspirale nach sich gezogen. Die Thesen
des IWF lassen sich so lesen, dass allzu hartes Geld auch heute ein Problem in
Europa ist, zumal wenn die Regierungen ihre Politik nicht koordinieren.
In
dieser Lesart würde Deutschland mit seiner „Ordnungspolitik“ auch heute wieder
den Vertreter allzu harten Geldes repräsentieren, sich gleichzeitig aber gegen
eine allgemeine Koordinierung sperren, die nötig ist, um die Währungsunion zu
stützen. Im Ergebnis rutschen weite Teile der europäischen Wirtschaft ohne
Aussicht auf Besserung in die Deflation.
Brisante
Handlungsempfehlungen
Tatsächlich
ist die Europäische Zentralbank (EZB) seit der Finanzkrise daran gescheitert,
die Inflation deutlich von der Nulllinie wegzubewegen, wo Deflation beginnt. In
den meisten Ländern bleibt die Preissteigerung hinter dem EZB-Ziel von zwei
Prozent zurück, obwohl die Leitzinsen
weiter auf rekordniedrigem Stand verharren.
Hier
wird die historische Untersuchung Wiegands mitsamt ihren impliziten
Handlungsempfehlungen brisant: Sollte Europas Konjunktur in die Rezession
rutschen, hätten die Währungshüter dem Absturz in jetziger Konstellation wenig
entgegenzusetzen. Der IWF-Wissenschaftler selber sieht eindeutige Parallelen
zwischen der politischen Situation Ende des 19. Jahrhunderts und der heutigen
Debatte über die Architektur des Euro. „Starke gemeinsame Institutionen sind
notwendig“, heißt es darin, sonst könnte der Währungsraum nicht stabilisiert
werden.
Damit
scheint der IWF Vorschläge zu unterstützen, die für eine stärkere Koordinierung
der Fiskalpolitik stehen: „Die Schlussfolgerung des Beitrags ist, dass ein
Währungssystem nur dann stabil ist, wenn es mit einem robusten politischen
Überbau verbunden ist“, streicht Gunther Schnabl, Professor für
Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig, heraus. Fasse man die Gedanken
zusammen, rede das IWF-Papier einer europäischen Fiskalunion das Wort, in der
ein Land für alle anderen bürgt.
„Ergebnisorientierte
Analysen“ des IWF?
Die
gültigen Maastricht-Verträge sehen eine solche Gesamthaftung ausdrücklich nicht
vor. „Die französischen Forderungen nach einem gemeinsamen Euro-Zonen-Budget
sollen wohl mit wirtschaftshistorischer Evidenz untermauert werden“, kritisiert
Schnabl und verweist darauf, dass der IWF von der Französin Christine Lagarde
geleitet wird.
Der
Volkswirt sieht das kritisch: Die geforderte Zentralisierung von fiskalischer,
wirtschaftlicher und politischer Macht auf europäischer Ebene drohe das
Subsidiaritätsprinzip, dass jeder Staat zunächst einmal für die eigenen
Entscheidungen und auch Fehler verantwortlich ist, zu schwächen. „Die
wirtschaftlichen Ressourcen werden vermehrt für die supranationalen politischen
Ziele eingesetzt, die nicht den Präferenzen der Bürger in den Regionen der EU
entsprechen“, sagt Schnabl.
Auch
Marktteilnehmer vermuten hinter der Veröffentlichung der Papiere zum jetzigen
Zeitpunkt Hintergedanken: „Man hat den Eindruck, dass der IWF viele
ergebnisorientierte Analysen in Auftrag gibt“, sagt Bernd Ondruch bei Astellon
Capital Partners.
Wiegand
hat für seine Auseinandersetzung mit der Geldpolitik eine historisch besonders
einschneidende Krise gewählt. Nach dem Gründerboom, der durch die französischen
Reparationen nach dem Krieg von 1870/71 befeuert wurde, kam es in Deutschland
zum sogenannten Gründerkrach, der bis 1879 währte. Allerdings war das
Vorkrisenniveau der Wirtschaft erst im Jahr 1890 wieder erreicht. Auch andere
Länder gerieten mit den in den Abwärtsstrudel. Wiegand macht geltend, dass die
Krise aus zwei Gründen so stark ausfiel und sich in die Länge zog.
Erstens
machten die Länder keine koordinierte Politik, und zweitens wirkte der von
Deutschland im Alleingang eingeführte Goldstandard wie eine Fußfessel. Das
ökonomische Gewicht des neu gegründeten Deutschen Reichs schaffte Tatsachen und
zwang auch andere Länder, zur rein goldenen Währung überzugehen, darunter auch
Länder, die zuvor recht gut mit zwei Währungsmetallen operiert hatten.
Das
galt zum Beispiel für Frankreich: Nach Deutschlands Schwenk zum Gold
warf auch der frühere Kriegsgegner seine Silberbestände auf den Markt. Das
hatte nicht nur zur Folge, dass der Preis des weißen Metalls ins Bodenlose fiel
und alle Staaten, die ihr früheres zweites Währungsmetall abstießen, nur mehr
einen Restwert bekamen, sondern hatte noch eine andere Wirkung.
Fortan
hingen die Ökonomen am Auf und Ab der globalen Goldförderung. Am Anfang war das
kein Problem, weil zur Mitte des Jahrhunderts große Goldvorkommen in
Kalifornien und Australien entdeckt worden waren, die für reichlich Nachschub
sorgten, doch schon in den 1870er-Jahren kam nicht in dem Maße neues Gold nach,
wie es im Sinne des IWF nötig gewesen wäre, um Liquidität zur Krisenbekämpfung
bereitzustellen, die Geldmenge hing ja an der Goldmenge.
Die
eifrigsten Käufer sind China und Russland
Damit
kann die IWF-Studie auch als klares Bekenntnis gegen eine Golddeckung von
Währungen gelesen werden. Die Frage hat durchaus praktische Relevanz. Die Studie
selbst kommt zu einem Zeitpunkt, wo die Zentralbanken selber den größten
Goldhunger seit einem halben Jahrhundert haben. Wie den Daten der Währungshüter
zu entnehmen war, haben die Institutionen ihre Bestände so stark aufgestockt
wie zuletzt 1971, als die USA die Goldbindung als letzte große Volkswirtschaft
aufgaben. Die eifrigsten Käufer sind China und Russland, die sich mutmaßlich
von der finanziellen Hegemonie der Vereinigten Staaten absetzen wollen.
Aber auch
bei Investoren erfreut sich das Edelmetall wachsender Beliebtheit: Private Käufer haben zuletzt so viel Erspartes in Goldfonds
gesteckt wie seit 2013 nicht mehr. Gold hat sich an den Rohstoffmärkten auf
mehr als 1300 Dollar je Unze verteuert, nachdem es 2018 noch unter 1200 Dollar
notierte. Allerdings ist es noch weit von seinem Rekordhoch bei 1920 Dollar
entfernt. Doch wenn die vom IWF offenbar befürchtete Krise eintritt, dürfte
sich das sehr bald ändern.