3D-Druck: Vom Makrobereich, den wir sehen und anfassen können, bis zum Nanobereich, enorme Fortschritte

Mit additiven
Verfahren wie dem 3D-Druck lässt sich inzwischen nahezu jede beliebige
Struktur umsetzen – sogar im Nanobereich. Diese können, je nach
verwendeter „Tinte“, die unterschiedlichsten Funktionen erfüllen: von
hybriden optischen Chips bis zu Biogerüsten für Zellgewebe. Im
gemeinsamen Exzellenzcluster „3D Matter Made to Order” wollen
Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie
(KIT) und der Universität Heidelberg die dreidimensionale additive
Fertigung auf die nächste Stufe heben: Ziel ist die Entwicklung neuer
Technologien, die einen flexiblen, digitalen Druck ermöglichen, der mit
Tischgeräten Strukturen von der molekularen bis zur makroskopischen
Ebene umsetzen kann.

„Der 3D-Druck bietet
gerade im Mikro- und Nanobereich enorme Möglichkeiten. Die
Herausforderungen, um diese zu erschließen, sind jedoch ebenso
gewaltig“, sagt Martin Wegener, Professor am Institut für Angewandte
Physik und Direktor am Institut für Nanotechnologie des KIT sowie
Sprecher des Exzellenzclusters „3D Matter Made to Order“ (3DMM2O).
Gefragt seien vor allem Technologien und Verfahren, die auf der Basis
digitaler Konstruktionsdaten bereits kleinste Strukturen schnell und
qualitativ hochwertig umsetzen können. „Hier setzen wir mit unserem
Cluster an. Wir wollen die 3D-Fertigung und Materialverarbeitung vom
Molekül bis zur Makrostruktur vollständig digitalisieren und neue
Fertigungstechnologien für konkrete Anwendungsfelder entwickeln.“

„Ohne neuartige Tinten
und Photolacke aus der Chemie heraus wird dies nicht gehen. Anwendungen
in der Biologie erfordern beispielsweise Materialien, die gleichsam auf
Knopfdruck wieder abbaubar sind unter physiologischen Bedingungen, wie
auch elektrisch leitfähige Materialien, die in 3D mit Nanometerpräzision
verdruckbar sind“, sagt Uwe Bunz, Professor für Organische Chemie an
der Universität Heidelberg, Mitglied des dortigen Centre for Advanced
Materials (CAM; www.cam.uni-heidelberg.de) und Sprecher von 3DMM2O.

Neue Ansätze für den digitalen 3D-Druck

Feiner, schneller und
vielfältiger sollen sie sein: die additiven Prozesse und Technologien,
die Anwendungen in den Bereichen Materialien und Lebenswissenschaften
ermöglichen. Hierfür setzen die Forscherinnen und Forscher aus Natur-
und Ingenieurwissenschaften in drei ineinandergreifenden
Forschungsfeldern an: Im Feld „Technologien“ entstehen neuartige
Werkzeuge, die Strukturen bis zu zehn Nanometern fertigen können. Sie
ermöglichen einen schnelleren, präziseren Druck mit unterschiedlichen
Tinten und Photolacken. Diese entwickeln die Wissenschaftler im Feld
„Molekulare Materialien”. Die maßgeschneiderten künstlichen Materialien
weisen ein breites Spektrum an Eigenschaften auf und lassen sich
kombinieren. Die Forschung in die Anwendung bringt das Feld
„Applikationen“. Hier liegt der Fokus auf den Bereichen Optik und
Photonik, Materialwissenschaften sowie Lebenswissenschaften. Die
gedruckten 3D-Strukturen können beispielsweise die Leistung optischer
Chips für die Informationsverarbeitung verbessern oder in künstlichen
Retinae zum Einsatz kommen.

„Unser Ansatz besteht
darin, digitale Informationen in maßgeschneiderte, funktionale
Materialien, Geräte und Systeme zu übersetzen“, so Wegener.
Langfristiges Ziel von 3DMM2O sei es, eine Art Tischgerät zu bauen, das
keine besonderen räumlichen Voraussetzungen erfordert, wie eine große
Produktionshalle, Vakuum oder bestimmte Temperaturen. „Wir wollen bisher
unzugängliche wissenschaftliche Anwendungen quasi für zu Hause
erschließen und den 3D-Druck auf Knopfdruck ermöglichen“, sagt Wegener.

3DMM2O konnte sich 2018
in der Förderlinie „Exzellenzcluster“ der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) durchsetzen. Insgesamt stehen für diese
Förderlinie jährlich rund 385 Millionen Euro zur Verfügung. Die
Carl-Zeiss-Stiftung fördert das Cluster zusätzlich über sechs Jahre
hinweg mit acht Millionen Euro. Diese Mittel fließen in ein
Doktoranden-Stipendienprogramm, eine neue Professur am CAM, ein neues
Nutzerlabor am KIT und in eine begleitende „Vision Assessment“-Studie,
welche die gesellschaftlichen und ethischen Implikationen der Visionen
von 3DMM2O erforschen soll.

HEiKA Graduiertenschule „Functional Materials“

Ein zentrales
Strukturelement des Clusters ist die HEiKA Graduiertenschule "Functional
Materials". HEiKA steht für die Heidelberg Karlsruhe Strategic
Partnership, die alle gemeinsamen bilateralen Aktivitäten des KIT und
der Universität Heidelberg umfasst. Die Graduiertenschule bindet
Masterstudierende, Doktorandinnen und Doktoranden in das stark
interdisziplinäre Forschungsgebiet ein. Hierbei spielt ein breites
Modulprogramm eine wichtige Rolle. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert
jährlich bis zu vier Masterstudierende, die eine Promotion im
Forschungsumfeld von 3DMM2O anstreben. Zusätzlich unterstützt die
Stiftung bis zu 20 Doktorandinnen und Doktoranden bei ihrer Dissertation
in den Themenbereichen des Clusters.

Maßgeschneiderter Materialmix und bewegliche Mikrostrukturen: Beispiele aus der Forschung im Cluster 3DMM2O

Forscherinnen und
Forscher des KIT und der Carl Zeiss AG haben gemeinsam ein System
entwickelt, mit dem sie mehrfarbig fluoreszierende Sicherheitsmerkmale
dreidimensional additiv herstellen können. Damit lassen sich
beispielsweise Geldscheine, Pässe und Markenprodukte vor Fälschung
schützen. Grundlage ist die 3D-Laserlithografie, bei der ein Laserstrahl
computergesteuert einen flüssigen Fotolack durchfährt und das Material
nur am Fokuspunkt des Laserstrahls aushärtet. Die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler haben eine selbst entwickelte mikrofluidische Kammer
in das Lithografiegerät eingebaut, mit der sie verschiedenste
Materialien verdrucken können. So kann ein einziges Gerät
dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturen aus mehreren Materialien in
einem Prozessschritt umsetzen. Weitere Informationen: www.kit.edu/kit/pi_2019_017_massgeschneiderter-materialmix-fuer-dreidimensionale-mikro-und-nanostrukturen.php

Das direkte
Laserschreiben ermöglicht bereits jetzt routinemäßig präzise Strukturen
auf der Mikroskala. Für Anwendungen in der Biomedizin wäre es jedoch
vorteilhaft, wenn die gedruckten Objekte nicht starr sind, sondern
bewegliche Systeme wären, die nach dem 3D-Druck schaltbar sind.
Forschende des KIT konnten nun dreidimensionale Strukturen aus
Hydrogelen erstellen, die durch den Einfluss von Temperatur oder Licht
ihre Form stark verändern. Diese sind in wässriger Umgebung
funktionsfähig und damit ideal für Anwendungen in Biologie und
Biomedizin. Weitere Informationen: www.kit.edu/kit/pi_2019_011_bewegliche-mikrostrukturen-aus-dem-drucker.php