Meine persönliche Bemerkung:
Noch nie in der Geschichte
der Menschheit konnte der Einzelne, das Individuum, über so viele
Nachrichtenquellen verfügen wie heutzutage. Auf den ersten Blick müsste
das der Idee der Demokratie Vorschub leisten. Leider ist das Gegenteil
der Fall. Dem steht die von mir als sozial-psychologische
Gesetzmäßigkeit formulierte ‚selektive Wahrnehmung‘ entgegen. In der
Praxis bedeutet dass, das Menschen vorwiegend die Nachrichten aufnehmen
und verarbeiten, die in ihnen bekannte Strukturen passen. Darunter
befinden sich – insbesondere bei vorwiegend emotional reagierenden
Bürgern, eine große Zahl von Vorurteilen. Diese werden sehr oft durch
Wunschdenken gespeist. Viele Gefühle rühren aber auch, sozusagen
instinktiv verankert, aus Zeiten, in denen der Homo sapiens im Sinne von
Charles Darwin entstand. Damals waren diese Gefühle lebensnotwendig und
lebenserhaltend und brachten dem Träger enorme Vorteile, so dass er
sich besser vermehren konnte als andere. Das ist der Grund, dass sich
auch in unseren Genen wiederspiegeln und zu Instinkten wurden. Dazu
gehören u. v. a. Fremdenfeindlichkeit, vorschießender
Selbstbehauptungswillen, Hass, Neid und das Verhalten von
Gemeinschaften, sich – koste es was es wolle – zusammenzuschließen, wenn
eine äußere Bedrohung entsteht. Solche Instinkte sind in der heutigen
Zeit, wo der Verstand des Menschen immer mehr durch Bildung und
Erfahrung obsiegte, kontraproduktiv. Genau diese in uns verankerten
Gefühle und Instinkte nutzen Populisten als Köder, um wie der
Rattenfänger von Hameln Menschen hinter sich zu scharen.
Das zweite Phänomen, das ich
nennen möchte, bedroht genauso auf den Verstand notwendigen
demokratischen Strukturen. Es ist der sogenannte Tunnelblick, der
verhindert, dass andere für die Gesamtbeurteilung der Situation
notwendige Fakten unterdrückt werden. So ist nur zu erklären, dass der
Einzelne so leicht auf emotionalisierende Fake News herein fällt. Das
machen sich die Extremisten, vom Faschismus bis zum Kommunismus, von
aller Arten von Mafiosi bis hin zu religiösen Sektierern geschickt
zunutze, das soweit führt, dass selektive Selbstmorde möglich werden. Um
eine Gesellschaft zu kontrollieren reicht es aus, etwa bis 2 % der
Bevölkerung, die zum Terror bereit ist, ganze politische Systeme zu
unterwandern. Dem könnte nur gegengesteuert werden, wenn auf die
Zivilcourage des einzelnen Bürgers weiter entwickelt wäre. Das ist
aber nur äußerst selten verbreitet, wie die historische Erfahrung lehrt.
So konnten in der Vergangenheit unter dem Motto: bist Du nicht für
mich, dann bist du gegen mich, ganze Gesellschaft manipuliert werden.
Große Königreiche, Fürstentümer zusammengehalten und moderne
faschistische und kommunistische Terrorregime entstehen.
Die Idee der Demokratie
sollte dem Einhalt gebieten und hat es zumindest zeitweise erreicht wie
z. B. in der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten, was bei uns
immerhin 70 Jahre Frieden brachte.
Neuerdings machen sich
jedoch Autokraten wie z. B. in der Türkei Erdogan, in den USA á la
Trump, in Brasilien mit Bolsonaro, auf den Philippinen mit Duterte, in
vielen postsowjetische Staaten, und viele andere, die unter dem Signum
der Demokratie diese Urinstinkte zunutze. Bei uns sind es die
populistischen Parteien, die den Bürgern einfache Lösungen vorgaukeln
und versprechen, die Sterne vom Himmel zu holen.
Dies alles ist der Grund,
weil leider die sozialen Medien der Demokratie wider alle Erwartung
keinen Vorteil leistet, sondern unsere Demokratie auf lange Sicht
gefährden. Das z. B. so etwas wie der Brexit entstehen konnte und ein
britisches Parlament zu Statisten des Populismus degradierten oder ein
Präsident Trump ohne Scharm die Erkenntnisse der Wissenschaft was die
Erderwärmung anbelangt, völlig negieren konnte.
Aber Demokratie ist auf
Vernunft angewiesen, die eben nur in Grenzen manipuliert werden kann.
Sie funktioniert nur, wenn ‚vernunftbegabte aller Länder sich
vereinigen‘ . Ganz nach Marx, der das seinerzeit aber auf die
Proletarier bezog, die nicht mehr existieren müssen.
Das Emotionen ganz
entscheidend an der Willensbildung beteiligt sind, beweist auch die
nachfolgende wissenschaftlich Untersuchung:
Emotionen lenken Kommunikationsverhalten
Neutrale Nachrichten werden laut Forschern der WU Wien deutlich seltener weiterverbreitet
Social Media: Emotionale News häufiger verbreitet (Foto: pixabay.com, geralt)
|
Wien
(pte022/15.01.2019/13:30) – Emotionale Nachrichten werden signifikant
häufiger weiterverbreitet als neutrale News. Zu diesem Schluss kommen
Forscher der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien) http://wu.ac.at in ihren aktuellen Studien. "Dies wurde zum Beispiel auch bei der
Detailauswertung zu den Ausschreitungen beim G20-Gipfel 2017 deutlich",
so WU-Wien-Wissenschaftler Mark Strembeck.
"Undoing Hypothesis" bestätigt
Im Zuge der Analysen wurde im großen Maßstab die Existenz sogenannte
"Undoing Hypothesis" in sozialen Medien nachgewiesen. "Dies bedeutet,
dass auch in Bezug auf negative Ereignisse eine erstaunlich große Zahl
an positiven Nachrichten versendet wird. Die ‚Undoing Hypothesis‘ stammt
aus dem Bereich der psychologischen Forschung und besagt, dass bei
negativen Ereignissen dennoch in signifikantem Ausmaß positive Emotionen
auftreten."
Laut Studienautor Strembeck ist der Grund hierfür vor allem der Versuch,
positive Emotionen gewissermaßen als "Gegenmittel" gegen negative
Emotionen einzusetzen. Aber auch der Einfluss von Social Bots wächst.
Insbesondere bei polarisierenden Ereignissen, wie zum Beispiel Wahlen,
versuchen sie die Diskussion mithilfe emotionaler Botschaften gezielt zu
beeinflussen. Dem Experten nach hat sich zudem gezeigt, dass
menschliche User generell eher der Grundstimmung einer Diskussion
folgen, während Social Bots versuchen, die Stimmung durch
entgegengesetzte Emotionen, sogenannten "Shifted Emotions" zu drehen.
Programmierschnittstellen genutzt
Im Rahmen des Projekts wurden mithilfe der öffentlichen
Programmierschnittstellen, die von Facebook, Twitter und YouTube zur
Verfügung gestellt werden, systematisch verschiedene Datensätze
gesammelt. Die Sammlung der Daten umfasste Ereignisse, die vornehmlich
als positiv wahrgenommen wurden (wie Feiertage oder Geburtstag eines
Prominenten), als auch solche, die mehrheitlich als negativ wahrgenommen
wurden (wie Terroranschläge oder Kriegshandlungen) und solche, die
polarisierend wirken (wie Wahlen).