brodelt es. Dennoch ist es um unseren Wohlstand erstaunlich gut
bestellt. Noch. Der renommierte Global-Risk-Report zeigt, wie heikel die
Lage tatsächlich ist.
Amerika
kämpft einen erbitterten Handelskrieg gegen China. Die Briten steuern
direkt auf eine Brexit-Katastrophe zu. Die Europäische Union erlebt die
größte soziale Zerreißprobe ihrer Geschichte. Trotzdem bleibt das
politische und wirtschaftliche Chaos aus. Die Ökonomien der großen
westlichen Nationen stehen erstaunlich gut da. Und dieser Zustand
scheint die Lage zu beruhigen. Der noch immer vorhandene Wohlstand legt
sich wie ein Schleier über das Brodeln in der westlichen Welt.
Diesen
Schleier jedoch lüftet der bekannte Ökonom Ian Bremmer mit seinem
aktuellen Global-Risks-Report. In diesem von seinem Analysehaus Eurasia
Group herausgegebenen Bericht veröffentlicht er zusammen mit seinem
Forscherteam eine Übersicht der größten potenziellen politischen und
wirtschaftlichen Gefahren für die Welt. „Die geopolitische Gemengelage
ist so brisant wie seit Dekaden nicht mehr“, heißt es im aktuellen
Risikoreport.
Laut Bremmer könnte 2019 sogar das Jahr werden, in dem die Welt
auseinanderbricht. „Die Extremrisiken, die durch Akteure entstehen, die
Schaden anrichten und dann eine Eskalationsspirale auslösen, sind höher
als je zuvor seit der Gründung der Eurasia-Gruppe im Jahr 1998“,
schreibt er ohne Umschweife.
Denkbar
sei ein Cyber-Angriff durch Russland, der außer Kontrolle gerät, ein
Krieg im Nahen Osten zwischen dem Iran und Saudi-Arabien. Der
Handelskrieg zwischen Amerika und China könnte die Welt in eine
wirtschaftliche Rezession treiben. Das alles seien sogenannte Tail
Risiks, also Extremvorfälle, die äußerst selten vorkommen, deren
Eintreten jedoch starke Schäden hervorrufen. „Wahrscheinlich wird 2019
ein ordentliches Jahr, aber wir säen die Saat für eine große
Katastrophe“, schreibt Bremmer.
Emmanuel Macron hat Hoffnungen der Europäer enttäuscht
Und
hier kommt der Schleier ins Spiel. Die Strategen der Eurasia Group
gehen davon aus, dass sich die ganz offensichtlichen Probleme, mit denen
sich vor allem die westliche Welt herumschlägt, erst in nächster Zeit
im Alltag der Menschen spiegeln.
„Geopolitische Zyklen
materialisieren sich erst langsam“, erklärt Bremmer. Es dauere einige
Zeit, bis sich eine einmal gewachsene geopolitische Weltordnung
verändert. Bremmer macht den Westen selbst für diese langfristige Krise
verantwortlich. Dem Aufstieg von China, der das westliche System
attackiert, habe der Westen nicht wirklich etwas entgegenzusetzen. Der
amerikanische Präsident Donald Trump sei unberechenbar, andere westliche
Staats- und Regierungschefs hätten nicht die Führungsqualität, die
etablierte Weltordnung aufrechtzuerhalten.
Ein Europa ohne die Briten sei ein gänzlich anderes Europa. Auf dem
europäischen Festland habe der europäische Hoffnungsträger, Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron, enttäuscht. Mit einem Beliebtheitsrating von
23 Prozent fehle ihm die Autorität, die Massen tatsächlich auf den
Pro-EU-Kurs einzuschwören. Stattdessen wachse das Lager der Gegner
stetig. Auch anderswo in der Welt blühe der Populismus.
Japan
sei eines der wenigen westlichen Länder in der Welt, das keine
populistischen Tendenzen erlebe. Aber das sei darauf zurückzuführen,
dass die Nation keinerlei Flüchtlinge ins Land gelassen habe und die
japanische Gesellschaft in großem Reichtum langsam überaltere. Dieses
Modell tauge nicht für den Westen als neue Orientierung.
Ein kalter Krieg der Technologie
Die
Eurasia-Strategen prophezeien, dass die neue Weltordnung auch
wirtschaftliche Spuren hinterlassen wird und somit unseren Wohlstand
bedroht. „Wenn große Tech-Konzerne wegen des grassierenden
Protektionismus’ weltweit nicht mehr die besten Komponenten
zusammenkaufen dürfen, könnte dies zu einem Innovations-Winter führen“,
waren die Experten. Vor allem Sicherheitsbedenken wären verantwortlich
für das neue Paradigma. Bremmer spricht von einer Art kaltem Krieg der
Technologie.
Und der habe Folgen. Er nennt das iPhone als Vorzeigeprodukt der
Globalisierung alter Prägung. Komponenten kämen aus China, Japan,
Taiwan, Südkorea, der Schweiz oder auch Deutschland. Zukünftig müsse
sich Apple gegebenenfalls neue Zulieferer oder Fabriken suchen. „Neue Technologie
wird teurer und ist nicht mehr so innovativ“, beschreibt Bremmer die
Folgen auch für die Verbraucher.
Doch
Trump verfolge auch beim Technologietransfer keine konsistente Politik,
sondern umgebe sich sogar mit autokratischen Staatenlenkern, die den
Westen zusätzlich schwächen. Sein Fazit fällt ernüchternd aus: „Die
Erosion der westlichen Institutionen ist in vollem Gange.“