Visionär und Macher im Interview: Über die Zukunft der Technologie

Jürgen Schmidhuber ist weltweit führender Wissenschaftler für
Künstliche Intelligenz. Wir hatten die große Ehre, anlässlich der New
Work Konferenz #NWX18 von XING, einen Live-Podcast mit ihm aufzunehmen.

Jürgen Schmidhuber war schon als 15 Jähriger von der Idee begeistert,
eine Intelligenz zu schaffen, die viel klüger ist als er selbst. Seine
ursprüngliche Idee, Physik zu studieren, wich schnell einer
verblüffenden Vision: “Baue einen Physiker, der viel besser ist als Du
selber.” Er entschied sich für das Studium der Mathematik und der
Informatik an der TU München und beschäftigte sich bereits 1987 in
seiner Diplomarbeit mit Allgemeiner Künstlicher Intelligenz und
rekursiver Selbstverbesserung. Seither entwickelt er mit seinen Teams
unter anderem die tiefen neuronalen Netze, die heute in jedem Smartphone
zu finden sind. Er gewinnt weltweit Preise und Anerkennung für seine
Arbeit.

Einer der Gründe für die großen Fortschritte in seinem Gebiet liegen
nach Schmidhubers Ansicht darin begründet, dass Computer alle fünf Jahre
zehn Mal billiger werden. Dieser Trend hält seit 1941 an, sein
Abbrechen ist nicht in Sicht.

Das sogenannte Long Short-Term Memory (LSTM, entwickelt seit den
1990ern) ist eines der sichtbarsten Produkte seines Labors. LSTM ist ein
rückgekoppeltes neuronales Netzwerk, das sich durch Training immer
weiter verbessert. Google nutzt LSTM heute auf über zwei Milliarden
Smartphones, unter anderem für Spracherkennung und Übersetzung. Apple
nutzt LSTM auf 1 Milliarde iPhones. Facebook macht seit 2017 jeden Tag 4
Milliarden Übersetzungen mit LSTM.

In nicht so ferner Zukunft sieht Jürgen Schmidhuber die “Show and
Tell Robotics”: Menschen zeigen dem Roboter etwas durch Zureden und
Vormachen, und er macht es dann immer besser nach (zum Bsp. T-Shirts
nähen oder Smartphones bauen). In ein paar Jahrzehnten werden KIs die
Menschen in vieler Hinsicht bei weitem übertreffen, und dann wird alles
anders.

Wir haben mit Jürgen auch über das Thema “Autonomes Fahren”
gesprochen und er hat uns von den Anfängen berichtet, die wie so viele
KI-Durchbrüche in Deutschland begannen. In den 80er Jahren hatte der
Robotiker Ernst Dickmanns bereits erste selbstfahrende Mercedes-Benz
Lieferwagen. Schon damals fuhren diese Autos ohne Fahrer 80km/h,
zunächst noch auf leeren Straßen. Ein Lieferwagen war notwendig, um die
seinerzeit noch riesigen Rechner zu transportieren. Ab 1994 fuhr
Dickmanns‘ autonome S-Klasse auf der Autobahn 180 km/h im Verkehr, nur
mit Kameras und ohne GPS, eigentlich wie Menschen. Laut FAZ haben
deutsche Firmen immer noch die meisten Patente für autonomes Fahren.

Die gegenwärtigen KI-Profite, so berichtet Schmidhuber, werden
allerdings vor allem von den großen Spielern am pazifischen Rand
gemacht, wie Amazon, Alibaba, Facebook, Tencent und Google. Schmidhuber
glaubt aber auch, dass kein Teil der Welt besser aufgestellt ist als
Nordeuropa, wenn es darum geht, in der nahen Zukunft beide Welten
zusammenzubringen: Robotik / Maschinenbau und KI / maschinelles Lernen.

Wir wagen gemeinsam einen Ausblick darauf, was KI für Arbeit
bedeutet. Männer müssen hier tapfer sein, denn es ist – so Jürgen
Schmidhuber – oft schwieriger, eine Frau zu ersetzen als einen Mann. Der
Grund: Männer haben oft Inselbegabungen und Tunnelblick, können nur
eine Sache wirklich gut. Diese eine Sache lässt sich oft automatisieren
(z.B. Schachspielen). Viele Frauen jedoch sind allgemeine Problemlöser.
“Ich kann nicht voraussagen, welche Berufe in Zukunft wichtig werden.”
Aber seinen beiden mittlerweile erwachsenen Töchtern hat er eine
einfache Botschaft mitgegeben: “Lernt zu lernen. Jeder Beruf, den Ihr
ergreift, wird sich gewaltig ändern.”

Ein spannender Ausblick auf das, was beim Thema KI noch auf uns
zukommen wird, rundet ein Gespräch ab, das für Christoph und mich zu
unseren absoluten Highlights zählt. Für solche Momente machen wir diesen
Podcast.

Viel Spaß bei Folge 46, live aufgenommen bei der XING New Work Tagung #NWX18.