Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)
Bochum, 5. Februar 2018:
Dr. Séverine Mazaud-Guiuttot und Mitarbeiter vom Forschungsinstitut
INSERM in Rennes, Frankreich untersuchten das Eierstocksgewebe von 185
weiblichen Feten nach legalem Schwangerschaftsabbruch in der 7.-12.
Woche (1). Die Mütter hatten in der Regel kein Ibuprofen bekommen,
einige aber geplant 2-4 Stunden vor dem Schwangerschaftsabbruch. Von den
Müttern ohne Ibuprofeneinnahme wurde das Ovarialgewebe ihrer Feten in
vitro eine Woche lang mit oder ohne Ibuprofen kultiviert. Bei Zusatz des
Schmerzmittels zum Nährmedium fand sich ein, wie sich die Autorin
ausdrückte, „dramatischer Rückgang der Oozytenzahl“: Die Keimzellen
starben entweder ab oder die Wachstumsrate war reduziert. Wenn die
Mütter Ibuprofen eingenommen hatten, zeigten die Untersuchungen des
Spiegels im Nabelschnurblut, dass das Analgetikum die Plazentaschranke
ungehindert passieren kann.
Kommentar
Der paradoxe Befund, dass ein niedriger Ibuprofenspiegel von 10
micromol die stärkste Auswirkung ergab, während diese bei 100 micromol
schwächer war, stellt die klinische Relevanz der Befunde aus der
ex-vivo-Studie infrage. Ob Ibuprofen auch im Mutterleib die Eierstöcke
der Feten schädigt, bleibt ebenfalls ungeklärt. Diese Frage würde man
wohl erst beantworten können, wenn die Töchter ins reproduktionsfähige
(und -willige) Alter gekommen sind, also nach etwa zwei Jahrzehnten.
Ähnlich war die Situation nach der intracytoplasmatischen
Spermieninjektion (ICSI) bei den mithilfe dieser Technik geborenen
Jungen: Bei diesen war auch erst nach etwa 2 Jahrzehnten deren
Fertilität zu erfassen. Sie stellte sich als vermindert heraus (2).
Schwangere sollten besser nicht nur in der Spätschwangerschaft
Analgetika wie auch Ibuprofen vermeiden, in der sie wegen des erhöhten
Mißbildungsrisikos kontraindiziert sind (vgl. 3), sondern auch schon
früher im ersten Trimenon.
Helmut Schatz