Krebsgefahr für Arbeiter beim Umgang von Schweißen mit Metallen

Im Jahr 1989 war die
Beweislage noch dünn. Aufgrund von „geringen Belegen bei Menschen“ und
„unzureichenden Belegen bei Versuchstieren“ kam die damalige
Expertengruppe der IARC zu dem Schluss: Rauch, der beim Metallschweißen
entsteht, ist als „möglicherweise karzinogen“ einzustufen. Für eine
finale Entscheidung in die eine oder andere Richtung reichte die
Datenlage jedoch nicht aus. Bis jetzt. Eine von der IARC einberufene
Expertengruppe wertete im März 2017 alle publizierten wissenschaftlichen
Studien aus und legte sich fest: Schweißrauche sind krebserregend für
den Menschen. Ausschlaggebend war die Einschätzung der Epidemiologinnen
und Epidemiologen im Team, zu denen auch Wolfgang Ahrens vom
Leibniz-Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung – BIPS in
Bremen gehörte. Wolfgang Ahrens: „Die zuständigen Behörden in der Welt
sind nun zum Handeln aufgefordert. Sie müssen die Arbeitsschutzregeln
verschärfen, um die Schweißerinnen und Schweißer besser zu schützen.“

Die IARC veröffentlicht
regelmäßig ihre neuesten Erkenntnisse in Form von Monografien zu
Krebsrisiken. Darin teilt sie die untersuchten Substanzen in Gruppen
ein: Gruppe 1 – karzinogen für Menschen, Gruppe 2A – wahrscheinlich
karzinogen, Gruppe 2B – möglicherweise karzinogen, Gruppe 3 – nicht
eingestuft, Gruppe 4: wahrscheinlich nicht karzinogen. Seit 1989 waren
Schweißrauche in Gruppe 2B eingeordnet. Im März 2017 trat in Lyon nun
eine 17-Köpfige IARC-Evaluationsgruppe zusammen, um die Krebsrisiken des
Schweißens auf Basis der aktuellen Datenlage neu zu bewerten.

Nach Schätzung der IARC
gelten etwa 11 Millionen Menschen weltweit als Berufsschweißer.
Zusätzlich sind weltweit etwa 110 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter
regelmäßig den beim Schweißen entstehenden Expositionen ausgesetzt. Dazu
gehören Rauche, Gase, ultraviolette Strahlung und elektromagnetische
Felder. Bereits 2012 stufte die Agentur die beim Lichtbogenschweißen
entstehende intensive UV-Strahlung als karzinogen für Menschen ein. Auch
diese Einstufung wurde jetzt bestätigt. Damit gilt es als erwiesen,
dass die beim Lichtbogenschweißen entstehende UV-Strahlung Augenmelanome
verursacht.

„Die Einstufung von UV-Licht
in die höchste Risikostufe konnten wir klar bestätigen“, sagt Wolfgang
Ahrens, Leiter der Abteilung Epidemiologische Methoden und
Ursachenforschung am BIPS und Experte für berufliche und umweltbedingte
Krebserkrankungen. „Eine ganze Reihe von Studien zeigt bei Menschen, die
an Schweißarbeiten beteiligt sind, ein bis zu zehnfach höheres Risiko
für die Entstehung von Augenmelanomen. Und das trotz der nahezu
flächendeckenden Anwendung von Schutzmasken.“ Wer beispielsweise bei
Schweißarbeiten an Straßenbahngleisen als Passant zufällig einen Blick
auf einen Lichtbogen wirft, ist oft minutenlang davon geblendet.
Geschieht dies regelmäßig – etwa bei Personen, die bei den Arbeiten
assistieren – werden deren Augen mit den entsprechend möglichen Folgen
dauerhaft geschädigt.

Gefährlicher Rauch

Rauch entsteht beim
Schweißen, weil Metalle über ihren Schmelzpunkt hinaus erhitzt werden:
Die Metalle verdampfen und kondensieren zu winzig feinen Partikeln, die
ohne spezielle Schutzmaßnahmen vom Arbeitspersonal eingeatmet werden.
„Die verfügbaren epidemiologischen Studien zeigen ganz klar ein erhöhtes
Lungenkrebsrisiko bei Personen, die selbst Schweißen“, erläutert
Wolfgang Ahrens. „Ein im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen
erhöhter Tabakkonsum oder ein häufigerer Kontakt mit Asbest – wie dies
zum Beispiel in der Vergangenheit häufig im Schiffbau der Fall war –
konnten diese Effekte nicht erklären. Darüber hinaus gibt es einen
positiven Zusammenhang zwischen Schweißen und Nierenkrebs, der
allerdings nicht deutlich genug ausfiel, um eine eindeutige Bewertung zu
erlauben. Daher wurde dieser Zusammenhang mit der Einstufung 2B –
möglicherweise karzinogen für die Niere – bewertet.“

Insgesamt war die in Lyon
diskutierte Beweislast für die lungenkrebserzeugende Wirkung von
Schweißrauchen erdrückend – unabhängig davon, welches Schweißverfahren
angewendet und welche Art von Metall geschweißt wurde. Auch die
Datenlage für die Verursachung von Augenmelanomen durch die UV-Strahlung
beim Lichtbogenschweißen war eindeutig. Entscheidend für diese
Bewertungen war schließlich die Einschätzung der Epidemiologinnen und
Epidemiologen im Team. „Es reicht in der Regel für eine finale
Entscheidung nicht aus, wenn ein erhöhtes Risiko nur bei Versuchstieren
auftritt und im Labor anhand von menschlichen Zellkulturen nachweisbar
ist“, sagt Wolfgang Ahrens. „Es muss auch ein eindeutiger Zusammenhang
beim Menschen nachweisbar sein. Und genau diesen haben wir klar
gesehen.“

Behörden müssen reagieren

Die Hochstufung von
Schweißrauchen in „Gruppe 1 – karzinogen für Menschen“ wird Folgen
haben. „Die Monografien der IARC sind die wichtigste Referenz weltweit
für entsprechende Arbeitsschutzregeln. Sie sind allerdings keine
verbindliche Vorgabe für entsprechende Gesetzesänderungen. Dennoch sehe
ich dringenden Handlungsbedarf zum Schutz von Berufsschweißerinnen und
Berufsschweißern und anderem Personal, das regelmäßig schweißt“, sagt
der Epidemiologe. „Schon heute kommen in Deutschland
Rauchabsaugvorrichtungen zum Einsatz. Diese werden aber vor allem an
stationären Schweißstationen verwendet. Bei der Arbeit im Feld wird
dagegen meist nur dann mit mobilen Geräten abgesaugt, wenn beim
Schweißen die schon lange als krebserzeugend geltenden Chrom- und
Nickelverbindungen frei werden. Nun müssen die Verantwortlichen bei
jedweder Exposition gegenüber Schweißrauchen aktiv werden. Wenn Rauch
entsteht, ist die Gesundheit der Schweißerinnen und Schweißer generell
in Gefahr. Zu ihrem Schutz muss der Rauch effektiv abgesaugt werden –
auch wenn dies höhere Kosten und höheren Aufwand bedeutet.“

Hintergrund IARC

Die International Agency
for Research on Cancer (IARC) – zu Deutsch: Internationale Agentur für
Krebsforschung – ist eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation
WHO. Die IARC hat ihren Sitz im französischen Lyon und fördert die
internationale Zusammenarbeit in der Krebsforschung. Die
interdisziplinäre Agentur führt die Expertise aus den Bereichen
Epidemiologie, Laborforschung und Biostatistik zusammen, um Ursachen von
Krebs zu identifizieren und Strategien zur Krebsprävention zu
entwickeln. Sie koordiniert die Forschung zwischen den beteiligten
Staaten und Organisationen und fördert gezielt Aktivitäten in
Niedriglohnländern. Regelmäßig veröffentlicht die IARC aktuelle
Forschungsergebnisse in Form von Monografien zu Krebsrisiken, nimmt
jedoch keinen direkten Einfluss auf die nationale Gesetzgebung etwa im
Hinblick auf den Arbeitsschutz.

Kontakt:
Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS