Nach dem Vorbild der Natur lassen
sich technische Bauteile optimal gestalten. Der Biomechaniker Professor
Claus Mattheck hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
computergestützte Methoden sowie rein grafische Werkzeuge entwickelt, um
leichte und langlebige Bauteile zu formen. Dabei hat der Forscher
festgestellt, dass es in der Natur eine Universalform gibt, die sich mit
einfachen geometrischen Methoden nachbilden lässt. Eine Verformung über
Wirbel, die Mattheck „die Räder der Natur“ nennt, sorgt für die innere
Optimierung.
„Die Evolution gleicht einem harten
Designwettbewerb. Was zu schwer oder nicht fest genug war, das gibt es
nicht mehr“, erklärt Professor Claus Mattheck. „Durchgesetzt haben sich
die optimalen Formen.“ Technische Bauteile, die sich an natürlichen
Vorbildern orientieren, besitzen die optimale Form und zeichnen sich
durch Stabilität, Material- und Energieeffizienz aus, wie der
Wissenschaftler erklärt. Um das Vorbild der Natur für die Technik
nutzbar zu machen, entwickelte Mattheck in der Abteilung Werkstoff- und
Biomechanik am Institut für Angewandte Materialien (IAM-WBM) des KIT
über drei Jahrzehnte verschiedene computergestützte Methoden, später
auch vereinfachende computerfreie Denkwerkzeuge, wie Schubvierecke,
Zugdreiecke und Kraftkegel, um Strukturen zu analysieren und Formen zu
optimieren. Der Biomechaniker untersuchte unter anderem, wie Bäume sich
entwickeln und durch lastgesteuert angebautes Holz an mechanischen
Schwachstellen selbst reparieren. Daraus leitete er Prinzipien zur
Optimierung von Bauteilen ab.
Claus Mattheck stellte fest, dass es in der
Natur eine Universalform gibt, die sich nicht nur in festen Körpern,
sondern auch in Fluiden findet. Sie taucht in Gebirgen ebenso auf wie in
Bäumen oder Knochen. Durch Deformation kann sie sich sogar für die
gewählte Belastung selbst erzeugen – Mattheck spricht von „Siegen durch
Nachgeben“. Die Universalform hat Eingang in die Industrie gefunden und
ist Bestandteil der Norm DIN ISO 18459 (Bionik – Bionische
Strukturoptimierung).
Neben der äußeren Optimierung der Form
beobachtet der Bioniker auch eine innere Optimierung durch Verformung.
Die äußere Gestaltung zielt auf eine gleichmäßige Verteilung der Zug-
bzw. Druckspannungen auf der Oberfläche gemäß dem von Mattheck
formulierten „Axiom konstanter Spannung“. Die innere Verformung durch
die Bildung von Wirbeln dient dazu, Schubverformungen, das heißt
Gleitungen benachbarter, miteinander verbundener Flächen zu begrenzen
und somit ein Abscheren zu verzögern. „Diese Wirbel sind sozusagen die
Räder der Natur“, sagt Professor Mattheck.
Von Fluiden ist längst bekannt, dass
Schichtströmungen auf einem Wirbellager um einen umströmten Körper
abrollen wie auf einem Förderband. In festen Körpern machen die Wirbel
nur ganz kleine Rollbewegungen, aber sie sind vorhanden und besonders
gut im toten Holz entrindeter Bäume zu erkennen. Dieses Prinzip lässt
sich ebenfalls auf technische Bauteile übertragen.