Datenschutz auf allen Endgeräten

Smartphones, digitale Soziale
Netzwerke, kommerzielle Rabattsysteme und Cloud-Anwendungen führen zur
verstärkten Preisgabe personenbezogener Informationen. Diese werden
teils ohne das Wissen der Bürger von multinationalen Konzernen
gesammelt, gespeichert, ausgewertet und verwertet. Die Nutzer können in
diesem komplexen Szenario den Schutz ihrer Daten nur schwer durchsetzen
und ihre digitale Souveränität behalten. Unter Federführung des KIT
entwickeln Forscher nun die Software-Anwendung AVARE, die es ermöglichen
soll, die Preisgabe personenbezogener Daten zu verhindern
beziehungsweise zu kontrollieren – und das parallel auf verschiedensten
Endgeräten vom Smartphone über den PC bis hin zum PKW und Smart-TV.

AVARE, das steht für „Anwendung zur Verteilung und Auswahl rechtskonformer Datenschutzeinstellungen“.
„Ziel des Projekts ist es, die Bürgerinnen und Bürger beim Schutz ihrer
personenbezogenen Daten durch eine innovative und nutzerfreundliche
Software-Anwendung zu unterstützen“, sagt Projektkoordinatorin Dr.
Stefanie Betz vom Institut für Angewandte Informatik und Formale
Beschreibungsverfahren (AIFB) am KIT. „Die AVARE-Software soll es den
Nutzern ermöglichen, ihre datenschutztechnischen Präferenzen zentral zu
bestimmen und global anzuwenden. Dabei sollen die Präferenzen nach dem
Eintragen an einer zentralen Stelle auf verschiedene eigene Endgeräte –
etwa Smartphone, Tablet, PC, Fahrzeug oder Smart-TV sowie für
verschiedene eigene Dienste wie zum Beispiel Facebook oder XING
übernommen und durch technische Maßnahmen umgesetzt werden. Ein
technisches Mittel zur Umsetzung des Datenschutzprofils ist zum Beispiel
das Unterbinden von Zugriffen auf Datenbestände (wie z. B. Adressbuch)
oder Sensoren.“

Sobald die auf dem Profil eingetragenen
Nutzerpräferenzen im Widerspruch zu den gewünschten Diensten stehen,
soll die AVARE-Software den Nutzer darauf hinweisen. Gleiches gilt, wenn
Anbieter ihre Angebote technisch oder rechtlich – etwa durch neue
Datenschutzrichtlinien – verändern. „Auf diese Weise werden die Systeme –
bezogen auf deren Umgang mit personenbezogenen Daten – transparent und
steuerbar, sodass auch das Vertrauen der Nutzer in die Systeme steigt“,
sagt Prof. Dr. Andreas Oberweis, Direktor und Vorstand am FZI. „Die
digitale Souveränität für Bürger ist bei AVARE unser oberstes Ziel.“

Ein Projekt, drei Partner, drei Jahre

Im Projekt AVARE kooperieren das Institut für
Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren (AIFB), das
Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft (ZAR) – beide KIT – und das
FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe. Das Projekt wird im
Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung innerhalb des Programms
IT-Sicherheit durchgeführt. Es hat eine Laufzeit von drei Jahren,
startete am 01. November 2015 und hat ein Volumen von 597.000 Euro.

„Für die offenen Fragestellungen des Projekts
sind eine enge, fortlaufende Abstimmung und ein kooperativer
Wissensaustausch unverzichtbar“, so Dr. Oliver Raabe vom ZAR. „Die
technische Umsetzbarkeit und die rechtliche Zulässigkeit müssen
gemeinsam betrachtet werden.“ Deshalb arbeiten in AVARE Informatiker eng
mit Juristen zusammen: Das ZAR ist für die rechtswissenschaftliche
Betrachtung verantwortlich. Dabei wird beispielsweise untersucht, ob ein
Synallagma zwischen App-Nutzung und Zustimmung zur Datenerhebung
besteht. Am FZI wird für das Projekt die prototypische
Smartphone-Anwendung entwickelt und zunächst für Android implementiert.
Die Wissenschaftler des Instituts AIFB befassen sich mit der Konzeption
und Nutzerevaluation der Anwendung, welche die Transparenz der über
Nutzer gesammelten, gespeicherten und verwerteten Daten verbessern soll.

AVARE-SW: Vier zentrale Funktionalitäten

„Das Besondere an AVARE ist die zentrale
Steuerung auf Basis eines Präferenzprofils, das der Nutzer selbst anlegt
und verwaltet. Die Software unterstützt den Nutzer bei der Erstellung
des persönlichen Datenschutzprofils mithilfe von für technische und
juristische Laien verständlichen Erklärungen“, erläutert Stephanie Betz.
„Eine weitere Besonderheit von AVARE folgt dann im zweiten Schritt, der
Verteilung des Präferenzprofils.“

Denn über einen zentralen Dienst wird das
Präferenzprofil auf sämtliche registrierten Endgeräte – Smartphone, PC,
PKW, Tablet, usw. – verteilt. Dieser Austausch wird mittels Ende-zu-Ende
Verschlüsselung abgesichert, der Schlüssel wird vom Benutzer selbst
übertragen. Dadurch muss der Nutzer seine Präferenzen keinem zentralen
Dienst im Klartext anvertrauen, der Schlüssel selbst wird dem zentralen
Dienst nicht bekannt.

„Als dritte Funktion prüft AVARE-SW
schließlich, welche anderen Anwendungen des Nutzers Daten entgegen
seinem Präferenzprofil abfragen, und gibt gegebenenfalls einen
entsprechenden Hinweis an den Nutzer. Initial wird dies für alle
installierten Anwendungen durchgeführt“, sagt Stefanie Betz. „Danach
wird dies bei jeder Neuinstallation beziehungsweise Updateinstallation
einer Anwendung durchgeführt. Soweit Datenschutzvereinbarungen mit
einbezogen werden können, werden auch deren Änderungen überwacht. Die
Prüfung muss erneut durchgeführt werden, wenn sich die
Präferenzeinstellungen des Nutzers geändert haben.“

Als vierte Funktion ermöglicht AVARE-SW bei
Verletzungen der Präferenzen – soweit technisch möglich und rechtlich
zulässig – die folgenden drei Reaktionen:

1.AVARE-SW
kann anderen Anwendungen den Datenzugriff entziehen. Der Nutzer kann,
nach Wunsch, einzelne Anwendungen davon ausnehmen.

2.AVARE-SW
ermöglicht eine Beschränkung des Datenzugriffs auf einzelne konkrete
Daten (beispielsweise Auszüge aus einem Adressbuch, nur bestimmte Felder
bzw. bestimmte Kontakte) und definierte Zeitpunkte.

3.AVARE-SW ermöglicht das Erzeugen von „Ersatzdaten“ (z. B. wird eine „zufällige" anstelle einer echten Ortsangabe zurückgegeben).

Nutzbar für Jedermann

Zum Projektende soll AVARE-SW als eine
prototypische Anwendung vorhanden sein, als OpenSource Software
publiziert und beispielsweise unter GPL lizenziert werden.