REM-Schlafverhaltensstörung häufig
fehlinterpretiert
Vor allem Frauen könnten
von
qualifizierten Diagnoseverfahren
profitieren
Darmstadt – Sie sind
angespannt, schlagen im Schlaf um sich, treten und verletzen dabei
nicht
selten den Partner oder sich selbst: Menschen mit einer
REM-Schlafverhaltensstörung (RBD) haben aggressive Träume; meist
richtet
sich die geträumte Gewalt gegen sie selbst. Allerdings könnte
angesichts
des komplexen Krankheitsbildes die Dunkelziffer hoch liegen. Die Deutsche Gesellschaft für Klinische
Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) plädiert deshalb
für
ein Diagnoseverfahren im Schlaflabor, die Polysomnographie. Denn eine
RBD ist weit mehr als eine unangenehme Schlafstörung. Sie ist in mehr
als 80 Prozent der Fälle ein Frühsymptom für neurodegenerative
Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder bestimmte Demenzformen. Darauf
macht die DGKN anlässlich des Tages des Schlafes am 21. Juni 2014
aufmerksam.
Die Zahl der Menschen mit
REM-Schlafverhaltensstörungen
(RBD)wird auf etwa 0,5 Prozent geschätzt
– rund 90 Prozent
sind Männer. „Wir gehen
jedoch davon aus, dass RBD bei Frauen zu selten erkannt wird“, sagt Professor
Dr. med. Geert Mayer, Facharzt für Neurologie,
Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Leiter der Hephata-Klinik
Treysa. „Studien deuten darauf hin, dass Frauen mit Schlafstörung
weniger aggressive Träume haben als Männer und ihre RBD deshalb mit
unauffälligerem nächtlichen Verhalten einhergeht.“ Erschwerend käme
hinzu, dass die Symptome häufig mit denen bei Restless Legs,
Schlafwandeln oder anderen motorischen Auffälligkeiten im Schlaf
verwechselt werden können. Im Falle einer Parkinsonerkrankung, als
deren
Vorbote die Schlafstörung betrachtet wird, liegt der Anteil der
RBD-Betroffenen Frauen schon höher, bei etwa 40 Prozent.
Gerade weil RBD
(rapid-eye-movement sleep behaviour disorder) früh auf eine
Neurodegeneration hinweist, ist eine exakter Befund wichtig. Der
DGKN-Experte Mayer hat mit anderen Wissenschaftlern in einer noch
unveröffentlichten Studie ein dreistufiges Diagnoseverfahren
erarbeitet:
Danach sollten Patienten zunächst einen Fragebogen mit einfachen
Ja/Nein-Fragen beantworten. Es folgt eine persönliche Befragung des
Patienten und Partners. Abschließend führt ein Schlafmediziner eine
Video überwachte Polysomnographie im Schlaflabor durch – laut Mayer die
einzig verlässliche Methode zur sicheren Diagnose. Bei dieser
Untersuchung werden zahlreiche Körperfunktionen wie etwa des Hirns, des
Herzens und die Aktivität verschiedener Muskeln gemessen sowie das
Schlafverhalten videometrisch aufgezeichnet.
„Diese Verfahren liefern Hinweise zum Beispiel
über
die Häufigkeit, Heftigkeit und den Verlauf der nächtlichen Bewegungen
sowie über die Schlafphase und messen die Hirnströme der Patienten“,
erläutert Mayer, der Vorsitzender der DGKN-Kommission Polysomnographie
ist. Dabei verweisen abweichende Hirnströme auf eine kognitive Störung,
die mit einem schnelleren Fortschreiten der RBD einhergehen kann. „Die
Ergebnisse vergleichen die Forscher anschließend mit den erfragten
Trauminhalten und bilden Subtypen: RBD-Patienten mit erhöhtem Risiko
für
Parkinson, Lewy-Körperchen-Demenz oder Multisystematrophie.
„Dementsprechend können wir frühzeitig therapeutisch eingreifen“, sagt
der DGKN-Experte.
Sowohl die klinische Befragung als auch die
Polysomnographie müsse ein spezialisierter Schlafmediziner durchführen
und auswerten, betonen die Studienautoren. Für eine Polysomnographie ist eine
Zusatzqualifikation nötig, die auch die DGKN anbietet. „Es gibt
bislang
kein einheitliches RBD-Diagnoseverfahren“, erklärt Mayer. „Unsere
Arbeit
soll dafür eine Richtlinie geben und bisher übersehene Fälle vor allem
bei Frauen aufdecken.“
Deutsche Gesellschaft für
Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN)