„Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht.“
Diese Zeilen dürften die aktuellen Nächte so mancher deutscher Politiker beschreiben. Ihren Ursprung haben sie allerdings im Gedicht „Nachtgedanken“ von 1844 aus der Feder des damals im Exil lebenden Heinrich Heine.
Er drückte mit diesen Zeilen sein Unwohlsein ob der politischen und gesellschaftlichen Missstände in seinem Heimatland aus. Er benutzte dabei nicht den Amboss, sondern die leichte Feder. Im Twitter Zeitalter hätte er damit womöglich einen viralen Hit gelandet.
Heute vor 225 Jahren, also am 13. Dezember 1797, wurde Harry Heine in Düsseldorf geboren und im Geist der jüdischen Aufklärung erzogen. 1825 ließ er sich protestantisch taufen und gab sich den Namen Heinrich, womit er sich bessere Einstellungschancen nach seinem Jurastudium erhoffte. Er widmete sich wenig später dem Schreiben als Schriftsteller, Dichter und Journalist.
Heine gilt als Vertreter und Überwinder der Romantik, beschrieb sich selbst als „entlaufenen Romantiker“. In seiner Jugend verfasste er vorrangig Gedichte über die unerfüllte Liebe, wobei er – anders als die meisten Dichter und Journalisten, auch die heutigen – ein fruchtbares Verhältnis zur Ironie entwickelte. Er war komisch, aber nicht lustig. Er war ernst, aber nicht verbissen.
Er beherrschte die Sprache derart virtuos, dass man im wörtlichsten aller Sinne von Kunstfertigkeit sprechen kann.
In seinem Gedicht „Das Fräulein stand am Meere“ parodierte er das Heiligste der damaligen Romantiker, den Sonnenuntergang am Meer.
„Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein, sei’n sie munter,
Das ist ein altes Stück:
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.“
Meine persönliche Bemerkung:
Heinrich Heine – Gedanken zum 225. Geburtstag
Mein persönlicher Ansatz:
Es gibt wenige Gedichte, die mich in meiner Jugend sehr beeindruckt haben. Wir – meine Familie und ich – hatten den Krieg mit schrecklichen Erlebnissen überstanden. Ich war gerade 10 Jahre alt und desozialisiert: der Hunger, keine Wohnung, aber wir hatten einen Ausweg, mein Luxemburg. Die Verbrechen der Nazis waren dort in Hass umgeschlagen, ich begriff zum ersten Mal, was Politik bedeutet und verstand nicht, wie ein zivilisiertes Volk einem Psychopaten wie Hitler überhaupt die Macht übertragen konnte. Menschenrechte ade, und alles brach in mir zusammen.
Hinzu kam die Pubertät, die den Pessimismus in mir verstärkte. Ein Ausweg war die Flucht in die Welt der Bücher. Ich gestehe ehrlich, dass mich ein Schriftsteller wie Karl May sehr beeindruckt hat. Als ich diese Phase überwunden hatte, waren es drei Poeten, die mich erlösten: z. B. Erich Kästner mit seinen Büchern für Erwachsene. Besonders ein Gedichtband baute mich auf, den ich heute noch jedem empfehlen kann. Es strotzt von Lebensweisheit und einer Art Ironie, die aus der Ohnmacht geboren war: „Der Gegenwart ins Gästebuch“. Heute würde sein Gedicht: ‚Die sogenannten Klassefrauen‘ auf Empörung und Verachtung stoßen, aber mir hat es in der Pubertät sehr geholfen.
Es hat mein Frauenbild auf realistische Säulen gestellt. Ich war zu sehr Romantiker. Aber diese Phase zu genießen kann ich nur jedem empfehlen.
Dann war es Heinrich Heine, der mich enorm beeinflusste. Auch er begann seine Gedichte mit romantischen Schwärmereien, um dann der Realität Tribut zollen zu müssen. Heute holt es mich im hohen Alter wieder ein. Wenn ich an der Loreley vorbei fahre, denke ich immer an sein Gedicht und das daraus resultierende Lied: ‚Ich weiß nicht, was soll es bedeuten‘, seitdem geht mir das nicht mehr aus dem Kopf. Auch die Melodie quält mich immer noch. Doch besonders beeindruckt hat mich sein Gedicht: ‚Denk ich an Deutschland in der Nacht, so werd‘ ich um den Schlaf gebracht‘.
Wie sich die Zeiten gleichen.
Dann gab es noch einen dritten Schriftsteller. Kurt Tucholsky brachte mir nachdenklichen Humor bei. Manchmal versetze ich mich in seine Situation, als man seine Bücher verbrannte. Wie glücklich können wir uns heute schätzen, dass wir in einer nicht idealen Demokratie leben, aber wir müssen unsere Meinung nicht verstecken, wie die damaligen Schriftsteller, inkl. Heinrich Heine, der ähnliches erlebte. Wie schrecklich muss es seinerzeit für diese Schriftsteller gewesen sein, ihre Erkenntnisse vom Untergang Deutschlands tief in sich vergraben zu müssen und den Mund zu halten, denn sonst landeten sie im KZ. Das ist einer der Gründe, weshalb ich auch im hohen Alter meine recherchierte Kritik offen zur Kenntnis gebe, egal wo ich bin. Ich danke meinen Vorgesetzten insbesondere im WDR, die mich nie gezwungen haben, etwas gegen meine
Überzeugung zu veröffentlichen und mir freie Hand gaben in der Wahl meiner Themen. Vielleicht waren deshalb viele meiner Themen der Zeit um 20 Jahre voraus. Heinrich Heine hat mir den Weg gewiesen,
Danke Jean Pütz