Dass Gewerkschaften als Vertreter der Arbeiterschaft vorgeben, sich für die Belange ihrer Klientel einzusetzen, kann ich verstehen. Allerdings sollten sie auch naturwissenschaftliche Fakten zur Kenntnis nehmen. Es ist nun einmal Gott sei Dank so, dass die Menschen viel älter werden als jemals prognostiziert. Die Wissenschaft, insbesondere die Medizin, aber auch Technik und vor allen Dingen die Epoche der Aufklärung haben das statistische Lebensalter extrem verlängert. Man bedenke, dass im Mittelalter die durchschnittliche Lebenserwartung im vierzig Jahre herum lag. Als der Kampf der Gewerkschaften im 19. Jahrhundert begann, bei maximal 60 Jahre. Deshalb war der Rentenbeginn mit 65 Jahren ein Segen. Nun kann sich jeder selbst ausrechnen, was das für die Rentenversicherung bedeutet. Da lässt sich nicht drum herum diskutieren. Selbst die enorme staatliche Unterstützung der Rentenversicherung kann das auf die Dauer nicht bewältigen. Wenn die Hälfte der Menschen in Rente geht, wo soll dann das Geld herkommen, das die Sicherung der Renten gewährleistet. Es sei denn, die junge Generation wird extrem geschröpft. Schon heute fühlen sich die jungen Menschen benachteiligt, der Umgang mit Corona ist dafür ein Beispiel. Junge Leute wähnen sich nicht betroffen und lehnen daher – wie viele sogenannten Querdenker inkl. AFD – die notwendigen Schutzmaßnahmen emotional ab. Dass die Alten und Menschen mit Vorerkrankung wegsterben, scheint ihnen schnuppe zu sein. Letztlich läuft das auf eine Art Euthanasie hinaus, historisch belastet durch die Auslöschung des sogenannten unwerten Lebens in der Nazi-Zeit.
Das erwähne ich nur, weil das durchaus in die Rentenproblematik soziologisch mit einbezogen werden muss. Im positiven Sinne bedeutet das, dass die Alten mit ihrer Lebenserfahrung immer mehr an Bedeutung verlieren. Eine Art Jugendwahn, die ja mittlerweile überall zu beobachten ist, ist die Folge. Normalerweise kritisiere ich nur, wenn ich auch Verbesserungsvorschläge habe. Dabei spielt das Wissen um die menschliche Natur eine wichtige Rolle.
Menschen, die in ihrem Beruf körperlich sehr stark beansprucht sind, bei denen auf die Dauer die Knochen nicht mehr richtig mitmachen, müssten entweder viel früher als mit 65 Jahren verrentet werden können, oder die künstliche Intelligenz von Maschinen bzw. die Roboterisierung macht ihnen die Arbeit so leicht, dass sie entlastet werden. Das gilt leider nicht für bestimmte Handwerksberufe. Aber diese Menschen habe so viel Erfahrung gesammelt, dass sie sehr gut in der ausufernden Bürokratie der Firmen eingesetzt werden können. Gott sei Dank hat der technische Fortschritt, der sich explosionsartig in den letzten 50 Jahren entwickelt hat, erheblich bei dieser Strategie geholfen.
Natürlich spielen bei dem Wunsch nach früher Verrentung auch psychologisch ein wesentliche Rolle. Oft ist das Arbeitsklima in den Firmen so schlecht, dass das sehr verständlich ist. Aber da sollten wiederum die Gewerkschaften aktiv werden. Es müssen Strukturen und Gesetze geschaffen werden, die den einzelnen bei dieser Bredouille helfen. Das muss eine wesentliche Aufgabe der Gewerkschaften werden. Sie müssen mithelfen, dass die Monotonie der Bürokratie mit Hilfe der Digitalisierung erheblich reduziert wird.
Für kreative Berufe ist das sowieso kein Problem. Alle die Arbeitnehmer würden sogar von einer Verlängerung der Arbeitszeit gesundheitlich extrem profitieren. Wenn man sich die Statistik anschaut, dann liegt die Sterblichkeit in den fünf Jahren nach der Verrentung extrem hoch, für manche ist das sogar ein Todesurteil und der Alltag wird zur Monotonie. Auch die geringe körperliche Aktivität birgt gesundheitlich große Risiken. Arbeitnehmer, die früher geistig sehr gefordert waren und sich jetzt zur ‚Ruhe‘ begeben, sind extrem gefährdet, denn die Gehirnzellen bedürfen des gleichen Trainings wie die Muskelzellen. vielleicht hilft da einmal eine soziologische Analyse der Bewohner von Seniorenheimen.
Kurzum, eine generelle Ablehnung der Erhöhung des Rentenalters ist in jeder Hinsicht abzulehnen.
Natürlich müssen das auch die diversen Versicherungen berücksichtigen. Derzeit fällt ihnen nichts anderes ein als die Versicherungs-Beiträge zu erhöhen, beruhend auf statistischen Werten. Dass sogar in Frankreich, wo eine durchschnittliche Verrentung schon mit 62 Jahren erfolgt, Die ‚Gelb-Westen‘, die durch aggressive Demonstrationen ein nach der Vernunft notwendiges Rentenalters um nur zwei Jahre verhindern wollen, zeugt davon, dass vergleichbaren Staaten nicht mehr zu helfen ist. Deutschland bildet da noch eine Insel der Seligen.
Quintessenz: Differenzierung tut not.
Jean Pütz
(dpa) – Zu Beginn des Wahljahres 2021 fordern Deutschlands Arbeitgeber, dass bei weiter steigender durchschnittlicher Lebenserwartung auch die Arbeitsdauer im Leben eines Arbeitnehmers ansteigt. »In den kommenden Jahren wird die ›Babyboomer‹-Generation in Rente gehen und der Druck auf unsere sozialen Sicherungssysteme wird aufgrund dieses demografischen Wandels immer stärker werden«, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Wirtschaftsweise Monika Schnitzer wandte sich im »Handelsblatt gegen frühe Renten und forderte ein höheres Renteneintrittsalter: »Da müssen wir rasch handeln, weil es leichter zu akzeptieren ist, wenn die Menschen wissen: Diese Verlängerung setzt erst in ein paar Jahren ein.«
»Deshalb ist klar – und wir sollten uns alle bei diesem Thema auch einmal ehrlich machen: Wenn unsere Lebenserwartung immer weiter steigt, muss unsere Lebensarbeitszeit zwangsläufig auch steigen«, sagte Dulger. »Es gibt keine Alternative, als dass die Kosten aus der Alterung der Gesellschaft auf die Generationen verteilt werden – denn nur so kann das langfristige Vertrauen in die gesetzliche Rente erhalten werden.« Er forderte, das Ziel die Sozialversicherungsbeiträge nicht über 40 Prozent steigen zu lassen, müsse verfassungsrechtlich verankert werden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund wies die Forderungen der Arbeitgeber als »völlig inakzeptabel« zurück. Vorstandsmitglied Anja Piel warnte vor einer Rentenkürzung durch die Hintertür für viele Beschäftigte. »Schon heute scheiden viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus – und haben dabei erhebliche Rentenabschläge hinzunehmen.« Tatsächlich brauchen viele Unternehmen die »Babyboomer«, doch die wollen früher aussteigen.
Fressen die Sozialversicherungsbeiträge bald mehr als 40 Prozent des Gehalts?
Höhere Altersgrenzen seien de facto eine »Gewinnmaximierung für Unternehmen« auf dem Rücken der Arbeitnehmer, insbesondere zulasten kranker, arbeitsloser und schwer arbeitender Menschen. »Denn wer Sozialbeiträge nicht nur deckeln, sondern diese Deckelung gar im Grundgesetz festschreiben will, macht Kürzungen bei den Sozialleistungen zum Ziel des Sozialstaats«, so Piel. »Daran haben nur Unternehmer und ihre Erben ein Interesse, für Beschäftigte wäre das ein schwerer Schlag ins Kontor.«
Inwieweit sich die Politik auf eine abermalige Anhebung der Regelaltersgrenze bereit erklärt, könnte auch stark an der Haltung der Union hierzu abhängen. Zuletzt hatten CDU/CSU klare Aussagen zum Rentenalter gemieden. Vor Weihnachten sorgte jedoch ein Vorstoß aus der CDU für Aufregung, den die Urheber als Basis für eine große Rentenreform in der kommenden Wahlperiode verstanden wissen wollen.
Der CDU-Ausschuss Soziale Sicherung und Arbeitswelt fordert unter anderem, die Menschen sollten gewonnene Lebenszeit künftig teils in Erwerbstätigkeit verbringen. Der Chef der Gewerkschaft Ver.di, Frank Werneke, warnte jedoch davor, die Rentendebatte zu entpolitisieren. »Das Renteneintrittsalter würde nicht mehr politisch durch das Parlament festgelegt, sondern die Entscheidung würde sozusagen an das Statistische Bundesamt abgegeben.
Eine von der Regierung eingesetzte Rentenkommission war sich vergangenes Jahr uneins, ob die Altersgrenze zur Rente weiter angehoben werden soll. Die Kommission empfahl nur, dass Experten hierzu 2026 etwas empfehlen sollen. Die Menschen sollten aber auf jeden Fall zusätzliche Alterssicherung mit privater sowie betrieblicher Altersvorsorge betreiben. Werneke sieht für die Zukunft mehr Steuergeld fürs Rentensystem als unerlässlich an: »Der Bundestag hat mitten in der Pandemie den Kauf von 23 Eurofightern für 5,5 Milliarden Euro beschlossen. Dieses Geld wäre in der Stabilisierung des Rentensystems deutlich besser angelegt.« Dulger hält dagegen nichts davon, Renten-Herausforderungen mit Schulden zu finanzieren.