Nachdem es fast acht Jahre lang eine ausführliche und breite Debatte über bewaffnete
Drohnen gegeben hat, vertagte die SPD-Bundestagsfraktion gestern Nachmittag
überraschend die Drohnenentscheidung. Eine »ausführliche und breite Debatte« habe bis heute nicht stattgefunden, begründete Fraktionschef Rolf Mützenich den Schwenk.
Fritz Felgentreu, der angesehene verteidigungspolitische Sprecher der SPD, erklärte
daraufhin seinen Rücktritt. Schon vorher war klar, dass er bei der nächsten
Bundestagswahl nicht mehr antreten wird. Was soll er noch in einer Fraktion, deren
Führung den eigenen Experten in den Rücken fällt?
Lange hat sich die SPD gegen die Anschaffung bewaffneter Drohnen gesträubt, im
Sommer schließlich signalisierte sie unter vielen Bedingungen die Zustimmung. Doch
dann meldete sich in der vergangenen Woche SPD-Chef Norbert Walter-Borjans zu Wort.
Er halte die Drohnendebatte noch »nicht für ausreichend«, verkündete der frühere
NRW-Finanzminister, der seine verteidigungspolitische Expertise bisher sorgsam vor der Öffentlichkeit verborgen hat. In der Fraktion kippte die Stimmung, jetzt blockiert die SPD die Anschaffung von bewaffneten Drohnen – vermutlich bis zum Ende der
Legislaturperiode.
Im »Tagesspiegel« argumentiert Gabriele Heinrich, die stellvertretende
SPD-Fraktionschefin, der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan habe schließlich
deutlich gemacht, dass Drohnen auch als Angriffswaffen eingesetzt werden könnten.
Damit habe sich »das gesamte Koordinatensystem« verschoben, eine neue Debatte sei
nun »dringend nötig«.
Es ist der sicherheitspolitische Offenbarungseid der SPD-Führung. Mit dem gleichen Argument müsste sie auch Panzer, Fregatten und Kampfhubschrauber abschaffen. Denn auch sie sind potenzielle Angriffswaffen. Doch über Angriff oder Verteidigung entscheidet in
Deutschland nicht die Bundeswehr, sondern das Parlament.
Die USA nutzen bewaffnete Drohnen, um in fernen Ländern angebliche Terroristen zu
töten. Solche extralegale Tötungen sind nach deutschem Recht verboten, der Bundestag würde sie niemals genehmigen. Wer also behauptet, bewaffnete Drohnen könnten in
Deutschland dafür womöglich missbraucht werden, stellt in Wahrheit die Bundeswehr
unter Generalverdacht.
»Jede Waffe kann missbraucht werden, auch die Drohne«, schrieb
SPD-Verteidigungspolitiker Felgentreu Anfang Dezember im »Vorwärts«, »aber die
Bundeswehr als Armee des Grundgesetzes hat im 66. Jahr ihres Bestehens Anspruch auf
unser Vertrauen.« Deshalb dürfe man der Truppe im gefährlichen Auslandseinsatz »den
Schutz durch eine bewaffnete Aufklärungsdrohne nicht vorenthalten«. Zwei Wochen später trat er zurück.
Weil die SPD in ihrem Niedergang vergessen hat, was sie damals groß machte. Als sie noch Volkspartei war und sich für die Bundeswehr verantwortlich fühlte.