Störungen des Hormonsystems durch chemische Substanzen vermutet

Endokrine Disruptoren: Störungen des Hormonsystems durch 800 verschiedene chemische Substanzen bekannt oder vermutet

Bochum, 12. März 2013: Die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation fordern in ihrem Gemeinsamen Bericht 2012 (1) für chemische Substanzen, die das Hormonsystem schädigen können, 1. bessere Tests, 2. mehr Forschung, 3. umfangreichere Berichterstattung und Information sowie 4. vermehrte Kooperation und Informationsaustausch unter den Wissenschaftlern.

A. Bergman aus Stockholm und Mitarbeiter (1) schreiben in dem bis heute umfassendsten Bericht über endokrine Disruptoren, dass von annähernd 800 chemischen Substanzen bekannt ist oder angenommen wird, dass sie mit Hormonrezeptoren, der Hormonsynthese oder Hormonumwandlungsprozessen interferieren. Nur eine sehr kleine Zahl dieser Chemikalien sei bisher untersucht und auf ihre endokrinen Effekte im intakten Organismus getestet worden. Endokrine Disruptoren wie etwa Bisphenol A oder Phthalate werden synthetisch hergestellt, finden sich aber auch in der Natur. Sie kommen in Pestiziden, elektronischen Artikeln, Kosmetika und anderen persönlichen Produkten sowie in der Nahrung vor.

Der neue Bericht befasst sich insbesondere mit den potentiellen Effekten einer Exposition auf die Entwicklung des kindlichen Nervensystems, Genitalmissbildungen bei Jungen, das Aufmerksamkeits/Hyperaktivitätssyndom bei Kindern und auf endokrin-bezogene Krebsformen von Prostata, Brust und Schilddrüse. Chemikalien interferierten auch mit dem Stoffwechsel, der Fettspeicherung und der Entwicklung des Knochen- und des Immunsystems. Endokrine Disruptoren würden aus vielen Quellen stammen wie industriellen und städtischen Emissionen, aus in der Landwirtschaft eingesetzten Produkten oder auch aus der Abfallbeseitigung. Sie könnten über viele Wege in den Körper gelangen wie das Wasser und Nahrungsmittel, über die Luft oder Hautkontakt. Da das Hormonsystems auch unabhängig von chemischen Disruptoren gestört werden kann wie zum Beispiel durch weitere Umweltfaktoren, das mütterliche Alter, die Ernährung oder Virusinfektionen sei eine intensivere Forschung nötig.
Es werden vier Empfehlungen gegeben, wie schon im ersten, einleitenden Satz ausgeführt: Sie betreffen Teste, Forschung, Information und Kooperation.

Kommentar des Referenten

Auf die zunehmende Bedeutung der Endokrinen Disruptoren hat die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie schon seit mehreren Jahren in Kongressreferaten, Pressemitteilungen und Blogbeiträgen immer wieder hingewiesen. Dies betraf vor allem Bisphenol A wie aus der Innenbeschichtung von Konservendosen, sowie die Phthalate, die als „Weichmacher“ in der Plastikindustrie breite Verwendung finden (2-5). Die Europäische Union hat erst vor wenigen Tagen eine Sitzung zum Thema : „Wachsende Verwendung von Plastikmaterial und Zunahme von Plastikmüll“ abgehalten Das Fernsehen hat in Deutschland breit darüber berichtet, wobei auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie ihre Bedenken äussern konnte. Bei den vielen Anfragen von Fernsehanstalten und Journalisten zu diesem Thema, aber auch zu anderen in der Nahrung enthaltenen oder zugesetzten Substanzen wird der Mediensprecher regelmäßig gefragt, „was man denn machen könne, um sich vor allen diesen (potenziell) schädlichen Substanzen zu schützen. Die Antwort ist stets: „So natürlich wie möglich leben, naturnah essen und trinken“. Also so wenig wie möglich Fertigkost, in Plastik Verpacktes, statt Konserven Frisches vom Markt, frisches Leitungswasser oder Getränke nicht aus Plastikflaschen oder Verbundpackungen. Nicht alle nur erdenklichen Kosmetika auf die Haut auftragen oder Sprays verwenden usw. Wenn man so will, gewissermaßen ein „Zurück zur Natur“. Dass freilich nicht überall, wo „Bio“ drauf steht, „Bio“ drin ist, haben wir ja erst kürzlich erfahren müssen.

Helmut Schatz