Der Billig-Trend für Konsumgüter: Auswirkungen und Perspektiven
Bollschweil (pts/16.03.2005/14:00) – „Billig“ ist die wichtigste Entwicklung hin zur nächsten Etappe der Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Billig meint nicht einfach „billig“ – es geht um eine grundsätzliche Einstellung von Menschen in einer Zeit, in der alles was man haben kann, sofort verfügbar ist. Dass wir uns heute vorwiegend um Discount- und Schnäppchenjäger-Themen kümmern, ist eine logische und wichtige Folge der Entwicklung in satten Märkten. Wir können davon ausgehen, dass der Preis in den kommenden Jahren noch eine dominantere Rolle spielen wird – beim Einkaufen, in der Politik, in der Moral, in der Familie, in der Ausbildung, in der Freizeit. Erfolg hat mit Popularität und Prominenz zu tun, alles andere – wie Privilegien oder Tradition – kommt nachher. Das populärste und prominenteste in einer reifen, voll entwickelten demokratischen Marktwirtschaft ist der Preis.
Warum der Billig-Trend unser Leben verändert:
Zwischen Wohlstand, Demokratie und Preisorientierung besteht ein Zusammenhang.
Discount wird also zum wichtigsten und maßgebenden Lebensstil. Daraus wachsen neue, legitime Verhaltensweisen hervor:
– die „neue Bescheidenheit“ nobiliert Knausrigkeit
– Armut verlangt nach billigen Produkten
– Geiz ist geil
– Wer zuviel bezahlt ist blöd.
– Was einst als Untugend galt, prägt heute ungeniert unseren Lebensstil. Wir entwickeln uns zu einer billigen Gesellschaft.
Für die Anbieter-Seite lauten daher die Fragen:
1. Wer ist besser?
2. Wer ist unter den Besten der Billigste?
3. Wer gewinnt den Zeitkampf?
Also: Wer ist der Schnellste? Auf diese Modernisierung müssen wir uns in freieren Märkten einstellen. Für den Kunden ergeben sich dadurch billigere Preise.
In dieser Stufe der Marktdemokratie stellt sich auch die Frage nicht mehr, was zuerst da war, das Angebot oder die Nachfrage. Sicher scheint auf jeden Fall: Das Discount-Phenomen ist da, und es wird sich durch Konjunkturresistenz auszeichnen. Wir haben an einer Spirale zu drehen begonnen, die sich nicht so leicht stoppen läßt. Tiefere Preise bringen tiefere Löhne. Tiefere Löhne bringen tiefere Preise. Das Vabanque-Spiel zwischen Lust am Discount und Frust am Discount ist losgetreten und wird die Effekte von Dominosteinen erzielen. Es wird unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig verändern und damit auf bislang ungeahnte Weise modernisieren.
Wir haben in den letzten Jahren viel gehört über Globalisierung und zuletzt in den depressiven Post-New-Economy-Jahren 2001-2003 noch mehr über Deglobalisierung. Anfang des Jahres 2003 hat uns der Ahold-Skandal mit seinen gar zu kreativen Accounting-Techniken erschüttert und vermeintlich bestätigt, was wir nach dem Börsenhype und den Übertreibungen der Telekom-Industrie vermutet haben. Doch Deglobalisierung wäre die Rücknahme des Begonnenen, die Rückkehr zu sogenannten „guten alten Zeiten“ national orientierter Ökonomien. Lassen wir uns aber nicht beirren. Jeder Megatrend hat einen Gegentrend. Globalisierung wird weiterschreiten, es gibt keine Anzeichen, dass dem nicht so wäre. Denn Globalisierung bringt vor allem eine Verheißung: Consumer Democracy. Das ist ein Versprechen, dass die Menschen Zugang haben zu einer unglaublichen Vielfalt von Angeboten, dass sie daraus frei wählen können, das zu kaufen, was sie wirklich wollen. Consumer Democracy macht die Menschen erst wirklich gleich, unabhängig von Klasse und Rasse. Und das erst noch zu einem günstigen Preis. Was könnte man dem schon vernünftigerweise entgegensetzen?