fzm – Das Klischee lautet: Lehrer sind gut bezahlte Halbtagsjobber. Sie haben viel Urlaub und sind nicht übermäßig fleißig. Doch weit gefehlt. Wie der renommierte Psychiater Joachim Bauer vom Universitätsklinikum Freiburg in einer soeben in der Fachzeitschrift "PiD- Psychotherapie im Dialog" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) veröffentlichten Forschungsarbeit darlegt, arbeiten Lehrer im Schnitt 51 Stunden in der Woche. Ihr Beruf ist folglich anstrengend und psychisch äußerst belastend. Etwa jeder vierte Lehrer leidet unter Erschöpfungszuständen. "Untersuchungen zeigen", so Bauer, "dass Lehrkräfte neuerdings einem hohen Maß an verbaler Aggressivität, Beleidigungen und bis hin zur Androhung oder Ausübung von körperlicher Gewalt von Schülerseite ausgesetzt sind."
Zwei Wesensmerkmale des Lehrerberufs begünstigen die hohe Burnout-Rate unter deutschen Pädagogen. Zum einen weisen Lehrer eine hohe "Verausgabungsbereitschaft" auf, ohne dafür jedoch die nötige Anerkennung zu erhalten. Zum zweiten mangelt es Lehrern in der Institution Schule an eigenen Gestaltungsspielräumen – zugleich aber sollen sie den hohen Erwartungen gerecht werden, die Schüler, Eltern und Politiker formulieren. Die Situation für Lehrer ist demnach paradox: Sie sollen viel bewirken, dürfen aber nur wenig entscheiden.
"Die Anforderungen, die der Lehrerberuf stellt, sind bei näherer Betrachtung gewaltig", meint Bauer. Lehrer müssen nicht nur fachlich perfekt sein. Darüber hinaus sollen sie Kinder und Jugendliche mögen, wobei aber erwartet wird, dass sie ihre Schützlinge nicht nur empathisch behandeln, sondern zugleich auch energisch führen können – dies möglichst, ohne Frustrationen zu erzeugen! In seiner Publikation verweist Bauer auf die Lehrerstudie des Potsdamer Psychologie-Professors Uwe Schaarschmidt. Dieser hatte bereits vor einigen Jahren herausgefunden, dass 32 Prozent der Lehrer zum "Burnout-Typ" gerechnet werden müssen: Für diese Pädagogen-Gruppe hat das berufliche Tun seinen Sinn verloren – sie sind erschöpft und beschreiben sich als resignativ. Weitere 18 Prozent der Lehrer gehören einer Risikogruppe an. Sie sind noch nicht krank, wohl aber Burnout-gefährdet. Diese Daten aus dem Jahr 2001 sind nach wie vor aktuell.
Nach neueren Erkenntnissen von Bauer sind zirka 30 Prozent der diensttuenden Lehrer massiv belastet. Und jeder fünfte Lehrer leidet an medizinisch relevanten stressbedingten Gesundheitsstörungen, wie depressiven Symptomen, Schlafstörungen oder psychosomatischen Störungen. Damit gehören sie zu den am stärksten vom Burnout-Syndrom betroffenen Berufsgruppen. Insbesondere jene Lehrer, die sich mit dem Beruf "überidentifizieren" und sich stark verausgaben, so Bauer, sind am häufigsten von Erschöpfungszuständen geplagt. Laut Bauer geht einem "Burnout" meistens ein "akutes Kränkungsereignis" voraus wie etwa ein schwerer Lehrer-Schüler- oder Lehrer-Eltern-Konflikt.
Die von einigen Wissenschaftlern vertretene Ansicht, dass nur jene Menschen ein Lehramtsstudium ergreifen, die von vornherein psychisch labil und wenig belastbar sind, teilt Bauer ausdrücklich nicht. Seine Forschungsbefunde erlaubten eine solche Schlussfolgerung nicht. Seiner Auffassung nach treten die Probleme des Lehrerberufs erst während des Referendariats zu Tage: Bereits in dieser Phase der Ausbildung stellten viele angehende Lehrerinnen und Lehrer fest, dass sie nicht ausreichend auf den Beruf des Lehrers vorbereitet wurden und beginnen erste stressbedingte Gesundheitsbeschwerden zu entwickeln.