Gästebucheintrag | 19.02.2005 – 16:48 Uhr | Susanne | Österreich

Susanne Österreich

Lieber Jean Pütz!
Während einer Werbepause sind mein Mann und ich zufällig in die Diskussion mit ihnen und Frau Böttinger gestossen. Da wir sie aus der Hobbythek kennen und wir ihre Beiträge sehr schätzen, haben wir diese Diskusion weiterverfolgt.

Mich hat zutiefst berührt, als sie von ihrem Schlüsselerlebnis von "Schillers Glocke" berichtet haben. Ich habe zwar (zum Glück) den Krieg nicht miterlebt. (Ich bin 40 Jahre).Aber ich hatte vor 6 Jahren ein Erlebnis, dass mein Leben fast aus der Bahn geworfen hat. Und von dem ich nicht wusste, dass es mich je so tief treffen wird. Ich bin Tagesmutter und habe selbst 2 Kinder. Vor 6 Jahren habe ich ein Seminar über "Suchtprevension im Kleinkindalter " mitgemacht. Nach der Vorstellrunde drückte die Seminarleiterin der Ersten ein paar Kleinkinderschuhe in die Hand und bat uns etwas aus der Kindergartenzeit, also der Zeit in dem man 3 bis 6 Jahre war zu erzählen. Ich hatte nur eine Erinnerung. Als ich ca. 31/2 Jahre war, habe ich meinen 6 jährigen Bruder verloren. Sonst weiß ich von meiner Kindheit kaum noch etwas. Als die Schuhe immer näher zu mir kamen wurde mir immer mulmiger. Ich konnte vorher aber immer einfach ohne Probleme davon erzählen, dass mein Bruder gestorben ist. So wollte ich es auch hier halten. Aber als ich die Schuhe in die Hand gedrückt bekam, heulte ich los und konnte mich nicht mehr zurückhalten. Seit dieser Zeit kreiste dieses Thema ständig um mich und ich wurde immer depresiver. Und es wurde so arg, dass ich eine Therapie machte, sonst wäre ich verrückt geworden. Jetzt geht es mir wieder prächtig, doch trotzdem wühlt es mich noch auf ( auch jetzt) wenn ich davon berichte. Ich habe erfahren, dass ich meine Trauer nie ausleben konnte, weil keiner darüber gesprochen hat und es immer verdrängt wurde.
Ich finde es, trotz dieser Erfahrung faszinierend wie unser Gehirn und unser Unterbewustsein Erlebnisse verdrängt und diese durch einen kleinen erlebten Funken wieder ins Gedächnis zurück kommen.
Jetzt, wo ich das meiste verarbeitet habe, bin ich eigentlich froh, dass ich darauf gestoßen bin. Es waren zwar sehr harte 6 Jahre, aber ich habe eine glücklichere Lebenseinstellung gewonnen. Oft denke ich mir, dass der Verlust eines Bruders zwar sehr dramatisch ist, aber nichts gegen Kriegserlebnisse oder sonstige Gewalterlebnisse. Ich habe 6 Jahre mit der Verarbeitung gekämpft und wie schwer muss es dann für solche sein, die um ihr eigenes Leben kämpfen mussten.
In der Diskussion haben sie auch ihre Hompage hier erwähnt, und dass sie ein Neuling sind. Ich finde sie ist prima gelungen. Ich habe gerade auch einen Kurs absolviert und möchte mir selbst eine Homepage basteln da ich in meiner wenigen Zeit gerne am Computer arbeite. Und denke auch, dass es Gehirnjogging ist, denn manchmal bringt er mich zum verzweifeln.
Ich wünsche Ihnen, ihrer Frau und ihrem Kind, viele gesunde und glückliche Jahre Susanne