23.06.2005 68 Jahre und ein bisschen weise

Wie dem biologischen Alter ein Schnippchen schlagen ?

Ich bin 1936 geboren, also vor dem 2. Weltkrieg, der meine Kindheit
entscheidend beeinflusste. Hauptsache: trotz schlimmster Bombenangriffe
überlebte die ganze Familie „er zählt die Häupter seiner Lieben und
sieh ihm fehlt kein einzig Haupt“ (Friedrich Schiller im Lied von der
Glocke) Oder wie der Kölner im letzten seiner 7 Geboten sagt: et hätt
emmer noch jot jejange.
Trotz grausiger Erlebnisse, die ich jedem Menschen ersparen möchte, hatte das Ganze auch etwas Gutes.
Ich landete nicht, wie viele heutige Kinder in unsern Breiten, in einer
Art materiellem Schlaraffenland. Hinzukam, dass ich mich alle
Kinderkrankheiten befielen, die man sich denken kann, angefangen bei
den Röteln, Scharlach, Keuchhusten, über Paratyphus bis hin zum Anfang
einer Tuberkulose, wie man erst viel später bei einer der ersten
Röntgenreihenuntersuchungen feststellte.
Die Einstiegsvoraussetzungen in ein gesundes Leben waren also bei mir
denkbar schlecht. Aber nirgends trifft das Sprichwort „Was uns nicht
umwirft, macht uns stark“  mehr zu, als im Bereich der Gesundheit,
wobei man mit gezielten Impfungen allerdings mittlerweile ähnliches
erreichen kann- jede vorbeugende Impfung stärkt die wirksamste
Apotheke, die wir in uns tragen: das Immunsystem. Übrigens, auch
Antibiotika standen seinerzeit nur äußerst begrenzt zur Verfügung.
Quintessenz: mein Abwehrsystem musste also ganz in Ordnung sein und ich
verdanke ihm wohl 50% meines heutigen gesundheitlichen Status.
Die andere Hälfte ergänzte ich durch Wissen „warum“. So bin ich
zunächst Anhänger einer ganzheitlichen Betrachtungsweise geworden.
Dabei scheint sich in meinem Gehirn, unserer Schaltzentrale, ein
spezieller Schalter gebildet zu haben, der mir stets signalisiert was
mir zuträglich ist, und was nicht.
Im Laufe der Zeit schmeckten mir die üblichen Kalorien strotzenden
Nahrungs- oder Genussmittel immer weniger, selbst wenn sie
prestigeträchtig waren, wie z.B.  Gänseleberpasteten, Edeltorten
und 3 Sternekochgerichte usw. Auch übermäßiger Fleischgenuss liegt mir
fern. Das gilt ebenso für Kaviar und Konsorten, die ich allerdings aus
hygienischen und ökologischen Gründen ablehne. Trotzdem bin ich kein
Asket, im Gegenteil, ich messe der „Lust an sich“ eine große
persönliche Bedeutung bei, weil sie mich jederzeit in vielerlei
Hinsicht motiviert, allerdings mit 2 wesentlichen Einschränkungen:
1. nicht auf Kosten von andern und
2. Nur soviel Lust, dass ich sie auch in der mittelbaren und unmittelbaren Zukunft genießen kann.
Deshalb bin ich gegen Drogen aller Art, bis auf die, die man durch
eigene Fantasie oder Anstrengung selbst in sich produzieren kann.
Drogen sind für mich  auch  harte Alkoholgetränke wie
Schnäpse, Wodka, Whiskey und ähnliches. Es gibt jedoch hier eine
wesentliche Ausnahme:
Weil ich aus einer Moselgegend in Luxembourg stamme, und den Wein schon
mit der Muttermilch bekommen habe, bin ich Weinliebhaber geworden, er
kann wie Medizin wirken, dabei kommt es jedoch auch hier entscheidend
auf die Dosis an.
Übrigens, das größte Risiko, dem man sich aussetzen kann, ist das
Rauchen. Aber das muss jeder mit sich selbst ausmachen, die persönliche
Perspektive läuft  allerdings Gefahr erheblich verzerrt zu werden,
denn um uns herum sieht man nur lebende Raucher, die toten liegen unter
der Erde.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO nennt auch das Übergewicht als „in
der Regel vermeidbares Risiko“. Viele adipöse Kinder leiden heute
bereits unter Altersdiabetes. Und die älteren Herrschaften erst recht,
denn im Alter benötigt der Körper erheblich weniger Nahrungsmittel als
ein Organismus, der sich im Aufbau befindet. Die Folge: Nur wenige
Menschen über 60 haben Normalgewicht.
Dass es überhaupt zu einem Ungleichgewicht zwischen Nahrungsaufnahme
und Verbrauch bei vielen  modernen Menschen kommt, hat eher
genetische Ursachen, die in unserer tiefen Vergangenheit zu suchen sind.
Das Regelsystem des Homo Sapiens, z.B. des Steinzeitmenschen,  ist
auf Nahrungsmangel getrimmt. Das dem entsprechende Gefühl nennen wir
heute immer noch Hunger. Damals trieb das unsere Vorfahren zur
intensiven Nahrungssuche an, sonst konnte die Situation
lebensbedrohlich werden. Aber es dauerte oft Stunden bis die Savanne
für Jäger oder Sammler was hergab. Heute brauchen wir nur den
Kühlschrank zu öffnen, oder die Fastfood Bude um die Ecke aufzusuchen,
deren Bratgerüche uns zusätzlich verführen und den Appetit schürt, dem
man kaum widerstehen kann.
Unsere Redewendung „ ich habe Hunger „ hat also nichts mehr mit
lebensbedrohendem Mangel zu tun, sondern ist bestenfalls Appetit. Das
merkt man schon allein daran, dass selbst ein gesteigertes
„Appetitgefühl“, wenn Essen nicht möglich ist oder man bewusst darauf
verzichtet, sich nach einiger Zeit erledigt.
Dass der Regelkreis „vernünftig essen „ sich unserm angeboren Instinkt
entzieht. hat auch was mit unseren modernen  extrem
kalorienhaltigen Essgewohnheiten zu tun. Sie sorgen dafür, dass unser
Magen selten Zeit hat, das bremsende Gefühl „satt“ dem Gehirn zu
melden. So ist die Gefahr stets präsent, viel zu viel in uns hinein zu
stopfen.
Jedes Gramm zu viel aber speichert der Körper in Form von Fett , für
schlechte Zeiten- die aber fast nie eintreten. So entsteht das
vermaledeite epidemieartige Übergewicht, dem auch mit der besten Diät
nicht mehr Herr zu werden ist.
Im Übrigen haben Verhaltensforscher bewiesen, dass für die mengenmäßige
Nahrungsaufnahme eher eine kollektive Gewohnheit maßgebend ist, das
heißt Essenszeiten und familiär bestimmte Größe der Portionen, nach dem
Motto:„Liebe geht durch den Magen“ und „der Teller soll leer gegessen
werden“.
Leider wird das Fach „Richtig Essen“ nur selten in der Schule gelehrt,
kein Wunder, dass kaum ein Jugendlicher, ebenso wie viele Erwachsene,
zu Hause sich ein Mahl  zubereiten können, wenn es nicht
vorgekocht ist. In diese Lücke stößt geschickt die Fertiggerichtbranche.

Wenn uns Instinkt und Gefühle fehlleiten, dann sollte, der der’s kann
gelegentlich sein Hirn einschalten, diesem messe ich persönlich eine
große Bedeutung bei, es ist eines der Geheimnisse, dem ich meine
Altersfitness verdanke.
Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass, in diese Bilanz, der
Bewegungsmangel unserer Zeit unbedingt eingerechnet werden muss. Ich
war mal Handwerker, Elektromechanikergeselle, damals hatten wir kaum
Maschinen, selbst in Betonwände mussten wir Kabelschlitze nachträglich
stemmen. Allein schon deshalb bestand keine Gefahr Übergewicht
anzusetzen.
Das kann man bei Büroarbeit beim besten Willen nicht behaupten.
Meine und die Antwort vieler vernunftbegabter Zeitgenossen: Sport, wenn
möglich mit Spaß kombiniert, allerdings nicht mit zu viel Ehrgeiz. Es
reicht meines Erachtens 2-3 mal wöchentlich eine dreiviertel bis eine
Stunde den Kreislauf auf Vordermann zu bringen, bei einer Pulsfrequenz,
in meinem Alter (69), von etwa 110- 120 Herzschläge pro Minute.
Ich selbst bevorzuge das Gelenke schonende Radfahren, bei gutem Wetter
mit einem Tourenrad draußen, oder sonst wenigstens auf dem Radtrainer.
Gelegentlich walke ich, auch das strengt gehörig an, aber auf den Puls
achten.
Zur körperlichen Wellness gehört auch, dass man die Feste  kräftig
feiert wie sie fallen,  Spaß und Freude halten ebenso  jung,
und damit ist oft auch Bewegung, inklusive  geistige, verknüpft.
Gleiches gilt für Sport in Gesellschaft, z.B. in Sport- oder
Tanzvereinen.  Neue wissenschaftliche Forschungen belegen, dass
Einzelgänger mit wenig Kontakten zu andern Menschen, um Jahre kürzer
leben. Zum Sterben sind wir alle viel zu jung, so wird und bleibt das
Leben lebenswert, bleiben Sie vor allem Optimist, auch das ist eine
Weisheit des Alters.
Und zum Schluss muss ich Ihnen noch die 7 kölsche Gebote verraten, mir imponiert vor allem die Gelassenheit die daraus spricht:

  1. Et es wie et es
  2. Et  kütt wie et kütt
  3. Jede Jeck es anders
  4. Die eine saaren so, die angeren so!
  5. Watt  fott is, is fott
  6. Do mächste ja nix
  7. Et hätt emmer noch joot jejange