Geschwisterinzest: tabuisiert – und lebenslänglich wirksam

Häufig missbrauchen Jungen ihre Schwestern. Studien belegen, dass Bruder-Schwester-Inzest fünfmal häufiger ist als Vater-Tochter-Inzest. In den Familien, Schulen und der Öffentlichkeit wird die Problematik meist tabuisiert und geleugnet, berichtet die Sozialpädagogin Esther Klees in der interdisziplinären Fachzeitschrift "Kindesmisshandlung und – vernachlässigung".
 
Im Hintergrund der Inzest-Delinquenz sieht die Forschung häufig dysfunktionale Familienstrukturen:
 
– eine ungleiche, rigide Machtverteilung zwischen männlichen und weiblichen Angehörigen
– physische und/oder emotionale Abwesenheit und Unerreichbarkeit der Eltern
– hohe Geschwisterzahl
– überdurchschnittlich sexualisiertes und/oder prüdes Familienmilieu
 
Häufig sind die Täter ihrerseits zuvor physisch oder psychisch viktimisiert worden. "Grundsätzlich neigen diese Jungen dazu, ihre traumatischen Erfahrungen in Form von gewalttätigen Übergriffen auszuagieren und ihre eigene Missbrauchsproblematik zu reinszenieren. Im Gegensatz zu Jungen reagieren Mädchen zum Großteil mit internalisierten Verhaltensweisen auf Traumata, indem sie ihre Aggressionen gegen sich selbst richten", schreibt Esther Klees.
 
Die Traumafolgen wirken meist lebenslang:
 
– gestörte Beziehungsfähigkeit
– negatives Selbstkonzept
– Auffälligkeiten im Sexualverhalten (Orgasmusstörungen, Promiskuität u.a.)
– Flashbacks, Essstörungen, Suizidgedanken 
 
 
Esther Klees: Geschwisterinzest
in: Kindesmisshandlung und – vernachlässigung
Jahrgang 9/Heft 2, S. 62-80. Pabst