Studie untersucht Humorverarbeitung und liefert Therapieansätze
Bochum (pte/24.01.2007/06:30) – Alkoholiker verstehen die Pointen von
Witzen weniger gut als Gesunde. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle
Studie des Instituts für Kognitive Neurowissenschaft der
Ruhr-Universität Bochum http://www.ruhr-uni-bochum.de/neuropsy . Kern
der Studie ist ein Vergleichsexperiment, bei dem 29 alkoholkranke und
gleich viele gesunde Probanden mit unfertigen Witzen konfrontiert
wurden. "Werden Alkoholiker aufgefordert, aus einer Auswahl die
richtige Pointe zu wählen, so liegen sie oft falsch. Daher kann man von
einer verminderten kognitiven Humorverarbeitung sprechen", erläutert
Jennifer Uekermann, wissenschaftliche Leiterin der Studie, im Gespräch
mit pressetext.
Der Versuch zeigte, dass vor allem bei Alkoholikern eine Reihe von
kognitiven Störungen bei der Interpretation von Witzen auftraten.
Insbesondere bei der Wahrnehmung und Interpretation von emotionalen
Gesichtern und Sprache hatten Alkoholkranke wesentlich mehr Probleme
als gesunde Testpersonen. "Man nimmt daher an, dass besonders ein
stirnseitiger Bereich des Frontallappens der Großhirnrinde für die
giftige Wirkung des Alkohols anfällig ist", so Uekermann. Diese
Hypothese bestätigte sich auch im Experiment weitgehend.
"Damit wir einen Witz überhaupt verstehen können, benötigen wir die
Fähigkeit, uns in die Lage der handelnden Akteure hineinzuversetzen –
uns also vorstellen zu können, was in Akteur X vorgeht, wenn er mit
Akteur Y spricht oder umgekehrt", meint die Expertin. Diese
Fähigkeiten, auch "Theory of Mind" genannt, spielen in der
Großhirnrinde eine zentrale Rolle. Erst damit kommt der Witz in seiner
Pointe entsprechend zum Ausdruck. Alkoholiker wählten unter den
Witze-Enden im Gegensatz zu gesunden Testpersonen seltener die
korrekten Pointen aus. Hinzu kommt, dass alkoholkranke Teilnehmer
stattdessen eher zu Slapstick-Alternativen und logischen Endungen
neigten. Diese beurteilte ein Großteil der Betroffenen jedoch als nicht
sehr witzig, wobei die korrekten, lustigsten Pointen ausgespart
blieben. Aus diesem Grund geht Uekermann von Beeinträchtigungen der
affektiven und kognitiven Humorkomponenten bei Alkoholismus aus.
Die Verarbeitung humorvoller Reize ist nicht nur für soziale
Beziehungen wichtig, sondern wirkt sich auch direkt auf das Immunsystem
sowie die Stressbewältigung aus. Uekermann erklärt, dass die Fähigkeit
Humor zu verstehen mit der Entdeckung einer so genannten Inkongruenz
einhergeht. Diese ist in ihrer Aufklärung bedeutsam für das Verständnis
eines Witzes. Interessant ist, dass die Probleme immer dann auftraten,
wenn beide Stufen der Humorverarbeitung nötig waren. Dies weist auf
Defizite bei der Humorverarbeitung durch die "Theory of Mind" hin. Auf
Nachfrage von pressetext erachtet die Wissenschaftlerin dieses Wissen
vor allem im Kontext von möglichen Therapieansätzen für unabdingbar.
"Klappt die Verarbeitung humorvoller Reize nicht oder nur mangelhaft,
kann dies auch leicht zu zwischenmenschlichen Problemen führen". Laut
Uekermann hilft dieses Wissen bei möglichen Therapien und beim sozialen
Umgang mit Alkoholikern. Sie plädiert daher für ein soziales
Kompetenztraining für beide Seiten, das Intoleranz und Aggressivität
vorbeugen könnte.