Hochtemperatur-Supraleiter
können elektrische Energie widerstandsfrei transportieren. Allerdings
verhindert eine starre Ladungsordnung die Supraleitung. Forscherinnen
und Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben die
konkurrierenden Zustände mit hochauflösender inelastischer
Röntgenstreuung untersucht und festgestellt, dass hoher einachsiger
Druck die Elektronen ordnet. Ihre Studie eröffnet neue Einblicke in die
Funktion elektronisch korrelierter Materialien. Die Forschenden
berichten in der Zeitschrift Science (DOI: 10.1126/science.aat4708).
Strom ohne Verluste
transportieren – Supraleiter machen es möglich. Diese Materialien weisen
unterhalb bestimmter Temperaturen keinen elektrischen Widerstand mehr
auf. Allerdings sind sie dabei auf extreme Kälte angewiesen: Klassische
Supraleiter müssen fast bis zum absoluten Nullpunkt – minus 273 Grad
Celsius – heruntergekühlt werden, und selbst Hochtemperatur-Supraleiter
benötigen noch Temperaturen von etwa minus 200 Grad Celsius, um Strom
widerstandsfrei zu leiten. Trotz der aufwendigen Kühlung werden
Supraleiter bereits in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Um
Supraleiter zu entwickeln, die bei höheren Temperaturen – eventuell
sogar bei Raumtemperatur – funktionieren und damit wesentlich zu einer
effizienten Energieversorgung beitragen, müssen entscheidende Zustände
und Vorgänge in supraleitenden Materialien grundlegend verstanden
werden.
Forscher um Professor
Matthieu Le Tacon, Leiter des Instituts für Festkörperphysik (IFP) des
KIT, sind dabei nun einen wesentlichen Schritt vorangekommen: Sie haben
gezeigt, dass hoher einachsiger Druck konkurrierende Zustände in einem
Hochtemperatur-Supraleiter kontrollieren kann. Neben dem IFP des KIT
waren das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart, das
Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden, die
European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble/Frankreich
und die Universidad Nacional de La Plata/Argentinien an der Studie
beteiligt. Eine Publikation in der Zeitschrift Science stellt die
Ergebnisse vor.
Mit hochauflösender
inelastischer Röntgenstreuung, bei der Röntgenstrahlen auf eine Probe
treffen und das Streulicht vermessen wird, untersuchten die
Wissenschaftler den Hochtemperatur-Supraleiter YBa2Cu3O6.67, der zu den
Kupraten gehört. Dabei handelt es sich um komplexe Verbindungen aus
Kupfer, Sauerstoff und weiteren Elementen. Kupfer- und Sauerstoffatome
bilden zweidimensionale Strukturen. Werden Ladungsträger in diese Ebenen
eingeführt, kommt es zu komplexen und miteinander konkurrierenden
Zuständen: Die Kopplung zwischen Ladungsträgern führt zur Supraleitung,
eine starre Ladungsordnung dagegen verhindert sie. Zu den
Ladungsordnungszuständen gehört die Anordnung der Ladungsträger in
streifenförmigen Nanostrukturen, welche die Ladungsträger unbeweglich
macht und so die Supraleitung unterdrückt. Auch periodische Schwankungen
in der Verteilung der elektrischen Ladungen, sogenannte
Ladungsdichtewellen (CDW – charge density waves), verhindern die
Supraleitung. Durch chemische Beimengungen, als Doping bezeichnet, oder
durch externe Magnetfelder lassen sich diese Zustände variieren. Die
Interpretation solcher Experimente wird allerdings durch Gitterfehler
und zufällig festgehaltene magnetische Wirbel erschwert.
Dagegen ermöglicht
einachsiger Druck, das Verhältnis zwischen Ladungsdichtewellen und
Supraleitung präzise zu untersuchen, wie die Forscher aus Karlsruhe,
Stuttgart, Dresden, Grenoble und La Plata in ihrer Arbeit feststellten.
Sie zeigten, dass hoher Druck entlang der Kristallachse a des
untersuchten Hochtemperatur-Supraleiters YBa2Cu3O6.67 zu einem
weitreichenden dreidimensionalen Ladungsdichtewellen-Zustand führt, ohne
dass dazu Magnetfelder erforderlich sind. Mit dieser Zustandsänderung
ist auch eine starke Dämpfung der Gitterschwingungsanregung verbunden.
„Unsere Ergebnisse ermöglichen neue Einblicke in die Funktion von
Hochtemperatur-Supraleitern und anderen elektronisch korrelierten
Materialien“, erklärt Professor Matthieu Le Tacon vom KIT. „Darüber
hinaus zeigen sie, dass einachsiger Druck das Potenzial bietet, die
Ordnung der Elektronen in solchen Materialien zu kontrollieren.“
Originalpublikation:
H.-H. Kim, S. M.
Souliou, M. E. Barber, E. Lefrancois, M. Minola, M. Tortora, R. Heid, N.
Nandi, R. A. Borzi, G. Garbarino, A. Bosak, J. Porras, T. Loew, M.
König, P. M. Moll, A. P. Mackenzie, B. Keimer, C. W. Hicks, M. Le Tacon:
Uniaxial Pressure Control of Competing Orders in a High Temperature
Superconductor. Science, 2018. DOI: 10.1126/science.aat4708.