Frühstückscerealien in Deutschland mangelhaft

Mehr Transparenz durch Nährwertprofile

Viele hochverarbeitete Frühstückscerealien wie Flakes, Pops oder
Getreidekissen tragen gesundheitsrelevante Werbung auf der Verpackung.
Dazu gehören nicht nur Hinweise auf einen besonderen Nähr- oder
Gesundheitswert, sondern auch Werbung mit gesunden Zutaten wie Vollkorn
oder „Frei von …“- Werbung. Hinweise also, dass Zutaten mit negativem
Image wie Farbstoffe nicht enthalten sind. Wissenschaftlerinnen der
Abteilung für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft der
Universität Bonn wollten wissen, wie gesund solche Produkte tatsächlich
sind. Dafür untersuchten sie in den Jahren 2010 und 2012 die
Nährwertprofile von insgesamt 239 deutschen und norwegischen Produkten.

Mit Hilfe von Nährwertprofilen lassen sich Lebensmittel in
empfehlenswerte und weniger empfehlenswerte Kategorien einstufen. Bei
der Berechnung werden sowohl wertgebende Bestandteile, wie
Ballaststoffe, der Obst- oder Gemüsegehalt eines Produkts als auch
wertmindernde Bestandteile wie Fett, Salz und Zucker berücksichtigt. So
lässt sich eine Aussage über den Gesundheitswert des gesamten Produktes
machen.

Für die Untersuchung wurden fünf verschiedene Nährwertprofile herangezogen, die von staatlichen Behörden entwickelt wurden. Darunter das Schlüsselloch (Keyhole), das in Skandinavien empfehlenswerte Produkte kennzeichnet, zwei Modelle, die entwickelt
wurden, um den Gesundheitswert von Kinderprodukten zu ermitteln, ein australisches Modell und ein Nährwertprofil, das im Jahr 2009 auf EU-Ebene vorgeschlagen wurde, um gesundheits- und nährwertbezogene Angaben zu regulieren. Dieses Modell ist allerdings bis heute nicht umgesetzt. Das skandinavische Keyhole hatte in Bezug auf
Frühstückscerealien die höchsten Nährstoff-Anforderungen, das geplante
EU-Modell die niedrigsten.

Der Anteil der hochverarbeiteten Cerealien mit gesundheitsrelevanten Informationen lag im Jahr 2010 bei 84 Prozent. Trotz der vielfältigen gesundheitsrelevanten Informationen
auf den Verpackungen wurde nur ein kleiner Teil der deutschen Produkte den Anforderungen der fünf unterschiedlichen Nährwertprofile gerecht. Nur 4 Prozent der deutschen Produkte aus dem Jahr 2010 erfüllten die Vorgaben des skandinavischen Keyhole-Modells, im Jahr 2012 waren es 7 Prozent. Den Anforderungen des EU-Modells entsprachen im Jahr 2010 rund 28 Prozent der Produkte, im Jahr 2012 waren es 36 Prozent.

Kindercerealien schnitten noch deutlich schlechter ab: Von den 58 Frühstückscerealien,
die im Jahr 2010 an Kinder vermarktet wurden, erreichte keines die Vorgaben des Keyhole. Das lag an den hohen Zucker- und den niedrigen Ballaststoffgehalten. Nur eines der Produkte dürfte nach den Kriterien des britischen Amts für Kommunikation, OFCOM, im Fernsehen beworben werden. Norwegische Frühstücksceralien hingegen erreichten durchweg bessere Werte: Je nach Berechnungsmodell konnten zwischen 36 bis 64
Prozent der Cerealien als empfehlenswert eingestuft werden. In Norwegen
dürfen Hersteller mit dem Schlüsselloch-Logo werben, wenn die Produkte
die Vorgaben dieses Modells erfüllen.

Die Ergebnisse der Fallstudie machen deutlich, dass es auf Verpackungen von deutschen
Cerealien zwar viele Informationen zu einzelnen gesundheitsrelevanten
Nährstoffen oder Zutaten gibt, aber keine leicht erkennbaren Hinweise zum Gesundheitswert des gesamten Produktes. So können Frühstückscerealien ohne gesundheitsrelevante Hinweise bessere Nährwertprofile aufweisen als Produkte mit Gesundheitswerbung.

Ein besonderer Handlungsbedarf besteht bei Kindercerealien. Kaum eines der
deutschen Produkte erfüllte die Anforderungen des britischen und des
speziell zur Einstufung von Kinderlebensmitteln entwickelten amerikanischen Nährwertprofils. Nach einer Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbands gehen aber gut 40 Prozent der deutschen Eltern davon aus, dass solche Produkte für die besonderen
Bedürfnisse von Kindern optimiert sind. Die Untersuchung der norwegischen Stichprobe weist darauf hin, dass es durchaus möglich ist, auch Cerealien mit einem günstigeren Nährwertprofil zu vermarkten.

Die Autorinnen ziehen die Schlussfolgerung, dass die Einführung eines
rechtlich verpflichtenden Nährwertprofils, das definiert, welche Lebensmittel gesundheitsrelevante Informationen tragen dürfen und welche nicht, für mehr Klarheit auf den Verpackungen sorgen würde. Auch Mindestgehalte für den Vollkornanteil von Frühstückscerealien, die mit Vollkorn werben, wären sinnvoll. Denn der Vollkorngehalt solcher Produkte schwankte in der deutschen Stichprobe von 2010 zwischen 7 und
100 Prozent. Das EU-Modell für Nährwertprofile enthält derzeit keine Mindestanforderungen an den Vollkorngehalt.

Hilfreich wäre auch ein einfach zu erkennendes Zeichen oder Symbol, an dem Verbraucher
die empfehlenswerten Produkte zweifelsfrei erkennen könnten. Denn aus Verbraucherstudien ist bekannt, dass sich nur wenige Konsumenten im Geschäft die Zeit nehmen, um Nährwerttabellen zu studieren.
Gesa Maschkowski (aid)

aid: Infodienst für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Der gemeinnützige Verein löste sich 2016 auf.