Wie aussagekräftig sind Amazons Sterne?

Kundenbe­wertungen vs. Test­urteile: Wie aussagekräftig sind Amazons Sterne?

Wissenschaftler der Tech­nischen Universität Dort­mund haben Bewertungen
für 1 322 Elektronik­produkte wie Smartphones, Kopf­hörer und Toaster
verglichen, die von der Stiftung Warentest in den Jahren 2014 bis 2017
geprüft wurden und bei Amazon Rezensionen erhielten. Fazit: Tester und
Kunden kommen oft zu ganz unterschiedlichen Bewertungen. Uns wundert das
nicht. Hier erklären wir, warum.

Man weiß nie, was man kriegt!

Beim
Internet­shopping ist es wie mit der berühmten Pralinenschachtel von
Filmheld Forrest Gump: Man weiß nie, was man kriegt! Die Ware lässt sich
nur auf Fotos bestaunen und nicht anfassen. Weit und breit kein
Verkäufer, der berät. Bloß gut, dass es Produktbe­wertungen gibt – neben
denen der Stiftung Warentest auch solche von Kunden, die den Artikel
gekauft und ausprobiert haben. Bei Internethändler Amazon etwa lassen
sich Produkte auf einer Skala von bis zu fünf Sternen bewerten, ein
Stern bedeutet Murks, fünf Sterne Topqualität. Viele Kauf­interes­senten
orientieren sich daran.

Neutral statt emotional

Nur in knapp einem Drittel der Fälle ist unser Testsieger auch das Produkt mit der besten Amazon-Bewertung. Die Macher der Studie
Should We Reach for the Stars? – an der wir als Stiftung übrigens nicht beteiligt waren – kommen zu dem Schluss, dass sich Sterne-Bewertungen von Amazon nicht gut eignen, um die Qualität eines Produkts einzuschätzen. Aus unserer Sicht ist es völlig logisch, dass sich Kundenbe­wertungen und Urteile der Stiftung Warentest unterscheiden. Denn unser Warentest ist ganz anders gestrickt als eine Kundenrezension.

Das Mittel­maß ist bei Amazon unterre­präsentiert

Internet­shopper
äußern sich oft emotional und vertreten häufig extreme Meinungen zu den
gekauften Produkten. Wer sich den Aufwand macht, eine Rezension zu
schreiben, hat sich meist über eine Ware wahn­sinnig gefreut oder
geärgert. Das Mittel­maß ist in vielen Sterne-Bewertungen
unterre­präsentiert. Die Stiftung Warentest prüft dagegen nach
wissenschaftlichen und trans­parenten Kriterien. Unsere Tester
bevor­zugen keine bestimmte Marke und sind nicht sauer, weil die teure
Neuanschaffung nicht ihren Vorstel­lungen entspricht. Außerdem bewerten
wir in einem Test mehrere Geräte unter­einander, unsere Urteile sagen
auch etwas darüber aus, wie gut etwa ein Radio im Vergleich zu anderen
getesteten Radios ist.

Laien stoßen an Grenzen

Manche
Produkt­eigenschaften können Laien zudem gar nicht selbst prüfen. Im
Labor zerlegen wir zum Beispiel Kopf­hörer und unter­suchen sie auf
Schad­stoffe. Unsere IT-Cracks entschlüsseln den Daten­strom von
Baby-Webcams und probieren aus, ob Fremde die Videos abfischen können.
Ingenieure nehmen in unserem Auftrag die elektrische Sicherheit von
Haartrock­nern unter die Lupe. Ottilie und Otto Normal fehlt hier die
Expertise.

Von den Sternen nicht blenden lassen

Nützliche Hinweise
liefern Kundenkritiken dennoch – etwa zur Alltags­tauglich­keit der
Produkte. Wir raten aber, ganz genau hinzusehen und sich nicht von den
ange­zeigten Sternen blenden zu lassen. Das kann daneben­gehen, wie im
Falle eines Toasters, der zum Zeit­punkt der Recherche von 442
Amazon-Kunden mit vier Sternen bewertet wurde. Unter den Rezensionen
sind 56 mit nur einem Stern, sie enthalten Kritik­punkte wie „kaputt“
oder „nach einem Monat defekt“. 19 weitere unzufriedene Rezensenten
vergeben zwei Sterne. 75 von 442 Käufern sind also vom Gerät enttäuscht,
dennoch erhält es vier Amazon-Sterne.

Amazon bildet keinen Durch­schnitt

Wir haben bei Amazon
nachgefragt, wie die Gesamt­zahl der Sterne zustande kommt. Die Antwort:
Amazon rechnet anstelle des Durch­schnitts mit einem Modell, das
verschiedene Kriterien berück­sichtigt – etwa wie alt eine Bewertung
ist, wie nützlich andere Kunden eine Kritik fanden, ob es sich um einen
verifizierten Kauf handelt und wie authentisch Rezensenten wirken.