IPP-Teststand ELISE erreicht erstes ITER-Ziel
Neutralteilchenheizung für ITER / Strahl schneller Wasserstoff-Teilchen für die Plasmaheizung
Der Heizstrahl
im Teststand ELISE des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in
Garching bei München hat die ITER-Werte erreicht: Erzeugt wurde für
1000 Sekunden ein Teilchenstrahl aus negativ geladenen Wasserstoff-Ionen
in der für ITER gewünschten Stromstärke von 23 Ampere. Mit ELISE wird
eine der Heizmethoden vorbereitet, die das Plasma des internationalen
Fusionstestreaktors ITER auf viele Millionen Grad bringen
sollen. Kernstück ist eine im IPP entwickelte neuartige
Hochfrequenz-Ionenquelle, die den energiereichen Teilchenstrahl erzeugt.
Der
internationale Testreaktor ITER (lat.: der Weg), der zurzeit in
weltweiter Zusammenarbeit in Frankreich aufgebaut wird, soll zeigen,
dass ein Energie lieferndes Fusionsfeuer möglich ist. Ähnlich wie
die Sonne soll ein künftiges Fusionskraftwerk aus der Verschmelzung von
Atomkernen Energie gewinnen. Der Brennstoff – ein Wasserstoffplasma –
muss dazu berührungsfrei in einem Magnetfeldkäfig eingeschlossen und auf
Zündtemperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. 500
Megawatt Fusionsleistung soll ITER erzeugen – zehnmal mehr, als zuvor
zur Heizung des Plasmas aufgewendet wurde.
Diese
Plasmaheizung wird etwa zur Hälfte die „Neutralteilchen-Heizung“
übernehmen: Schnelle Wasserstoffatome, die durch den Magnetfeldkäfig
hindurch in das Plasma hineingeschossen werden, geben über Stöße ihre
Energie an die Plasmateilchen ab. Dazu erzeugt eine Ionenquelle
aus Wasserstoff-Gas geladene Wasserstoff-Ionen, die durch hohe
Spannung beschleunigt und anschließend wieder neutralisiert werden, um –
als schnelle Wasserstoff-Atome – ungehindert durch den Magnetfeldkäfig
in das Plasma eindringen zu können.
Auf diese
Weise bringen heutige Heizungen, zum Beispiel an der IPP-Fusionsanlage
ASDEX Upgrade in Garching, das Plasma per Knopfdruck auf ein Mehrfaches
der Sonnentemperatur. Die Großanlage ITER stellt jedoch erhöhte
Anforderungen: So müssen die Teilchenstrahlen viel dicker und die
einzelnen Teilchen viel schneller sein als bisher, damit sie tief genug
in das voluminöse ITER-Plasma eindringen können: Zwei Teilchenstrahlen
mit etwa türgroßem Querschnitt sollen 16,5 Megawatt Heizleistung in das
ITER-Plasma einspeisen. Die in heutigen Fusionsanlagen genutzten
Teilchenstrahlen, die mit etwa tellergroßem Querschnitt und wesentlich
kleinerer Geschwindigkeit auskommen, wird ITER damit weit hinter sich
lassen.
Anstelle der bisher zur Beschleunigung
genutzten elektrisch positiv geladenen Ionen – die sich bei hohen
Energien nicht mehr effektiv neutralisieren lassen – müssen für ITER
daher negativ geladene Ionen verwendet werden, die extrem fragil sind.
Eine dazu im IPP entwickelte Hochfrequenz-Ionenquelle wurde als Prototyp
in den ITER-Entwurf aufgenommen. Auch der Auftrag zur Weiterentwicklung
und Anpassung an die ITER-Anforderungen ging Ende 2012 an das IPP.
An
dem Teststand ELISE (Extraction from a Large Ion Source Experiment)
wird eine Quelle untersucht, die halb so groß ist wie eine spätere
ITER-Quelle. Sie erzeugt einen Ionenstrahl von rund einem Quadratmeter
Querschnittsfläche. Mit dem gewachsenen Format mussten die bisherigen
technischen Lösungen für das Heizverfahren überarbeitet werden. Schritt
für Schritt ist ELISE in neue Größenordnungen vorgedrungen. „Den von
ITER gewünschten, rund 23 Ampere starken Teilchenstrahl aus
negativ geladenen Wasserstoff-Ionen konnten wir nun erzeugen, stabil,
homogen und 1000 Sekunden andauernd“, sagt Professor Dr. Ursel Fantz,
Leiterin des Bereichs ITER-Technologie und -Diagnostik im IPP: „Auch der
Gasdruck in der Quelle und die Menge der zurückgehaltenen Elektronen
entsprachen den ITER-Vorgaben“. Nur die von ITER verlangte Stromdichte
des Ionenstrahls wurde nicht ganz erreicht, was an der begrenzten
Leistungsfähigkeit der zur Verfügung stehenden Hochspannungsversorgung
liegt.
Wie geht es weiter?
Nachdem
ELISE die von ITER geforderte Stromstärke mit normalem Wasserstoff jetzt
erreicht hat, will man nun Teil zwei der Aufgabe in Angriff nehmen und
Ionen-Strahlen aus der schweren Wasserstoff-Variante Deuterium erzeugen –
dies allerdings nicht für 1000 Sekunden, sondern für eine Stunde. Das
System in Originalgröße wird das italienische Fusionsinstitut der ENEA
in Padua untersuchen und dabei mit dem IPP zusammenarbeiten. Die
Testanlage SPIDER (Source for Production of Ion of Deuterium
Extracted from Radio Frequency Plasma) ging Anfang Juni in Padua in
Betrieb. Ihre Zieldaten: einstündige Pulse mit vollem
ITER-Strahlquerschnitt und 6 Megawatt Leistung in Wasserstoff und
Deuterium.