Fusions-Reaktor macht Fortschritte

Wendelstein 7-X erreicht Weltrekord
Stellarator-Rekord für Fusionsprodukt / Erste Bestätigung für Optimierung

Höhere Temperaturen und Dichten des Plasmas,
längere Pulse und den weltweiten Stellarator-Rekord für das
Fusionsprodukt hat Wendelstein 7-X in der
zurückliegenden Experimentierrunde erreicht. Zudem fand man
erste Bestätigungen für das Wendelstein 7-X zugrundeliegende
Optimierungskonzept. Wendelstein 7-X im Max-Planck-Institut für
Plasmaphysik (IPP) in Greifswald, die weltweit größte Fusionsanlage vom
Typ Stellarator, soll die Kraftwerkseignung dieses Bautyps untersuchen.

Im Unterschied zur ersten Experimentierrunde 2015/16 ist
das Plasmagefäß von Wendelstein 7-X seit September letzten Jahres mit
einer Innenverkleidung ausgerüstet (siehe PI 8/2017). Kacheln aus Grafit
bedecken jetzt die Gefäßwände und machen höhere Temperaturen und
längere Plasmaentladungen möglich. Mit dem sogenannten Divertor lässt
sich darüber hinaus die Reinheit und Dichte des Plasmas regeln: In zehn
breiten Streifen an der Wand des Plasmagefäßes folgen seine Kacheln der
verwundenen Kontur des Plasmarandes. So schützen sie speziell die
Wandbereiche, auf die entweichende Teilchen aus dem Rand des
Plasmaringes gezielt gelenkt werden. Zusammen mit Verunreinigungen
werden die auftreffenden Teilchen hier neutralisiert und abgepumpt.

„Die
ersten Erfahrungen mit den neuen Wandelementen sind ausgesprochen
positiv“, sagt Professor Dr. Thomas Sunn Pedersen. Waren am Ende der
ersten Kampagne Pulsdauern von sechs Sekunden zu erreichen, sind nun bis
zu 26 Sekunden lange Plasmen möglich. Dabei konnten bis zu 75 Megajoule
Heizenergie in das Plasma eingespeist werden – 18 Mal mehr als in der
ersten Betriebsrunde ohne Divertor. Auch die Heizleistung konnte
erhöht werden – eine Voraussetzung für hohe Plasmadichte. 

Auf diese Weise wurde ein Rekordwert für das
„Fusionsprodukt“ erreicht. Dieses Produkt aus
Ionentemperatur, Plasmadichte und Energieeinschlusszeit gibt an, wie
nahe man den Reaktorwerten für ein brennendes Plasma kommt. Bei rund 40
Millionen Grad Ionentemperatur und einer Dichte von 0,8 x
10**20 Teilchen pro Kubikmeter hat Wendelstein 7-X ein Fusionsprodukt
von gut 6 x 10**26 Grad mal Sekunde pro Kubikmeter erreicht – weltweiter
Stellarator-Rekord. „Dies ist ein für die Größe der Maschine
ausgezeichneter Wert, der zudem unter realistischen Bedingungen, d.h.
bei hoher Temperatur der Plasma-Ionen erreicht wurde“, so Professor
Sunn Pedersen. Die erzielte Energieeinschlusszeit – ein Maß für die Güte
der Wärmeisolation des magnetisch eingeschlossenen Plasmas – deutet mit
beachtlichen 200 Millisekunden darauf hin, dass die Wendelstein 7-X
zugrundeliegende rechnerische Optimierung greift: „Das stimmt uns für
die weitere Arbeit optimistisch“.

Dass die
Optimierung nicht nur bezüglich der Wärmeisolation Wirkung zeigt,
erweist die jetzt abgeschlossene Auswertung von Messdaten aus der ersten
Experimentierkampagne von Dezember 2015 bis März 2016, die gerade in
der Fachzeitschrift Nature Physics erschienen ist (s.u.). Sie zeigt,
dass sich auch der sogenannte Bootstrap-Strom wie gewünscht verhält.
Dieser elektrische Strom wird von Druckunterschieden im Plasma
hervorgerufen und könnte das maßgeschneiderte Magnetfeld verformen.
Teilchen aus dem Plasmarand träfen dann nicht mehr an den richtigen
Stellen auf den Divertor auf. Der Bootstrap-Strom sollte in
Stellaratoren daher so klein wie möglich sein. Dass dies in
der optimierten Feldgeometrie tatsächlich gelungen ist, hat die Analyse
nun bestätigt. „Damit konnte bereits die erste
Experimentkampagne wichtige Aspekte der Optimierung verifizieren“, sagt
Erstautor Dr. Andreas Dinklage: „Eine genauere und systematische
Evaluierung wird in künftigen Experimenten bei deutlich höherer
Heizleistung und höherem Plasmadruck folgen“.

Seit
Ende 2017 liefen an Wendelstein 7-X weitere Ausbauten: Unter anderem
wurden neue Messgeräte und Heizsysteme installiert. Im Juli sollen die
Plasmaexperimente wieder beginnen. Ab Herbst 2018 ist dann ein größerer
Ausbau geplant: Die jetzigen Graphitkacheln des Divertors werden
durch kohlenstofffaserverstärkte Kohlenstoff-Elemente ersetzt, die
zusätzlich wassergekühlt sind. Sie sollen bis zu 30 Minuten
lange Entladungen möglich machen, in denen überprüft werden kann, ob
Wendelstein 7-X seine Optimierungsziele auch dauerhaft erfüllt.

Hintergrund 
Ziel
der Fusionsforschung ist es, ein klima- und umweltfreundliches
Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll es aus der
Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Weil das Fusionsfeuer
erst bei Temperaturen über 100 Millionen Grad zündet, darf der
Brennstoff – ein 
dünnes Wasserstoffplasma – nicht in
Kontakt mit kalten Gefäßwänden kommen. Von Magnetfeldern gehalten,
schwebt er nahezu berührungsfrei im Inneren einer Vakuumkammer.

Den
magnetischen Käfig von Wendelstein 7-X erzeugt ein Ring aus 50
supraleitenden, etwa 3,5 Meter hohen Magnetspulen. Ihre speziellen
Formen sind das Ergebnis ausgefeilter Optimierungsrechnungen. Obwohl
Wendelstein 7-X keine Energie erzeugen wird, soll die Anlage beweisen,
dass Stellaratoren kraftwerkstauglich sind. Mit Wendelstein 7-X soll die
Qualität des Plasma-einschlusses in einem Stellarator erstmals das
Niveau der konkurrierenden Anlagen vom Typ Tokamak erreichen.
Insbesondere soll die Anlage das wesentliche Plus der Stellaratoren
vorführen, die Fähigkeit zum Dauerbetrieb.                              
       

 
Originalveröffentlichung:
Andreas Dinklage et al.: Magnetic configuration effects on the Wendelstein 7-X stellarator.
In: Nature Physics, 21. Mai 2018, https://doi.org/10.1038/s41567-018-0141-9