Vielversprechendes High-Tech-Verfahren bei Lungenversagen:
DGIIN fordert differenzierten Einsatz durch erfahrene Intensivmediziner und Intensivpflegekräfte
Köln, Juni 2018 – Rund 2000 bis 2500 Patienten werden
jährlich mit schwersten Lungenversagen mit einer sogenannten
extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) in Kliniken behandelt. Mit
diesem Verfahren in der Lungenersatztherapie gelingt es
Intensivmedizinern immer häufiger, diese Patienten erfolgreich zu
therapieren. Es birgt aber auch Risiken, da es zu erheblichen
Komplikationen kommen kann. Die DGIIN betont deshalb wie wichtig es ist,
dass dieses hochkomplexe Verfahren durch gut ausgebildete
Intensivmediziner und Pflegekräfte durchgeführt wird. Welche Chancen
aber auch Risiken dieses und andere Organersatzverfahren bieten,
erläutert ein Experte im Rahmen einer Pressekonferenz der Deutschen
Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin
(DGIIN) am Mittwoch, den 13. Juni 2018 von 11.30 bis 12.30 Uhr in Köln.
Lungenversagen
kann beispielsweise Folge von Lungenerkrankungen wie einer
Lungenentzündung sein oder auch bei in der Regel schwerer Entzündungen,
wie einer Sepsis auftreten. Dies wiederum kann den Gasaustausch
beeinträchtigen. Wenn die Lunge der Patienten nicht mehr in der Lage
ist, den Gasaustausch selbst sicherzustellen, ist die extrakorporale
Membranoxygenierung (ECMO) eine der möglichen Behandlungsoptionen. „Der
Unterschied zu anderen künstlichen Beatmungsverfahren ist der, dass das
ECMO-Verfahren wie eine externe Lunge funktioniert. Bei der
herkömmlichen Beatmung wird Sauerstoff mit Überdruck in die Lunge
gepresst. Das kann dazu führen, dass die Lunge überbläht oder sogar
bisher noch funktionierende Lungenbereiche geschädigt werden“, sagt
Professor Dr. med. Stefan John, Präsident elect der DGIIN.
Bei der ECMO wird
dem Patienten kontinuierlich sauerstoffarmes Blut aus einer großen Vene
entnommen, meist in der Leiste. Dieses Blut wird dann durch ein Gerät
gepumpt, wobei dem Blut über eine Membran Sauerstoff hinzugefügt und
Kohlendioxid entfernt wird. Anschließend erhält der Patient das
„extrakorporal“, also außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereicherte
Blut über eine Vene oder eine Arterie zurück. „Da der Gasaustausch hier
über eine künstliche Lunge erfolgt, kann sich die Lunge des Patienten
besser erholen, da die Beatmung so schonender ist“, so Professor John, Oberarzt
und Leiter des Funktionsbereiches Intensivmedizin sowie Leiter des
Arbeitskreises Intensivmedizin am Klinikum Nürnberg. Während Beatmung
und Nierenersatz heute an jeder Intensivstation zur Routine gehören,
sollten ECMO und Herzunterstützungssysteme nach Einschätzung der DGIIN
derzeit aber nur an wenigen, großen und erfahrenen Zentren eingesetzt
werden. „Bei der Möglichkeit von schwerwiegenden auch tödlichen
Komplikationen muss der Einsatz sorgfältig überlegt werden“, sagt der
Intensivmediziner. Beim Anlegen der Kanülen könne es zu Verletzungen an
den Gefäßen kommen. Die Blutverdünnung, die das Verfahren erfordert
damit das Blut nicht gerinnt, kann zu lebensbedrohlichen Blutungen
führen. „Die Risiken des Verfahrens sind nicht unerheblich, gerade
deshalb muss die Entscheidung darüber, ob ein ECMO-Verfahren in Frage
kommt, immer individuell entschieden werden“, sagt Professor John.
Die ersten
Versuche mit der ECMO führten Mediziner bereits in den 1970er-Jahren
durch. Im Jahr 2009 war das schwere Lungenversagen eine häufige
Komplikation der Schweinegrippe („H1N1-Influenza“). Studien belegen,
dass die Mortalität von Patienten, die mit einer ECMO behandelt wurden,
damals bei etwa 25 bis 40 Prozent unter der sonst erwarteten Mortalität
bei Patienten mit einem schwerem Lungenversagen lag. Professor John
führt dies auf zwei Faktoren zurück: „Die Patienten mit H1N1-Influenza
waren oft jung und ohne Vorerkrankungen, und die ECMO-Technologie hat
sich deutlich verbessert.“
Seither wird
dieses Lungenersatzverfahren auch bei anderen Patienten mit schwerem
Lungenversagen immer häufiger verwendet und es hat sich technisch sehr
weiterentwickelt. „Innerhalb von wenigen Jahren ist es in den USA und
auch in Deutschland zu einem 3- bis 4-fachen Anstieg der ECMO gekommen“,
erläutert der Experte. Die DGIIN warnt jedoch vor einer unkritischen
breiten Anwendung dieses Verfahrens: „Die ECMO muss von gut
ausgebildeten Intensivmedizinern und geschultem Intensivpflegepersonal
durchgeführt werden“. Eine
aktuelle, international durchgeführte Studie konnte keinen eindeutigen
Überlebensvorteil durch eine ECMO-Therapie gegenüber herkömmlicher
Beatmungstherapie bei Patienten mit schwerstem Lungenversagen belegen.
„Hier gilt es zunächst die Studienergebnisse zu diskutieren und in
weiteren Studien zu prüfen, welche Patienten von Verfahren wie ECMO
profitieren“, sagt Professor John. Diese aktuellen Ergebnisse wird die
DGIIN im Rahmen ihrer Jahrestagung diskutieren, die vom 13. bis 15. Juni
2018 in Köln stattfindet. Dann geht es auch um die Bedeutung von
professionellem Pflegepersonal in der Intensivmedizin.