Lungenärzte warnen vor Verharmlosung der E-Zigarette und fordern mehr gesundheitliche Aufklärung
Berlin
– Immer mehr Menschen konsumieren E-Zigaretten, in der Annahme, diese
sei weniger gesundheitsschädlich als herkömmliche Zigaretten. Doch
insbesondere Jugendliche werden oft durch den süßen Geschmack und die
vielen Aromastoffe, wie Tiramisu und Waldfrucht, an das Rauchen
herangeführt. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass diese Aromastoffe
nicht ungefährlich sind. Sie können beispielsweise Diabetes, Asthma und
Krebserkrankungen verursachen. Auch die Folgen des Tabakkonsums werden
in der Bevölkerung weiterhin unterschätzt. Anlässlich des
Weltnichtrauchertags am 31. Mai 2018 fordert die Deutsche Gesellschaft
für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) daher von der Politik ein
komplettes Werbeverbot für diese Produkte sowie mehr gesundheitliche
Aufklärung, die sowohl vor den Folgen des Konsums von E-Zigaretten als
auch des Tabakkonsums warnt.
Inzwischen
konsumieren in Deutschland etwa eine Millionen Menschen regelmäßig
E-Zigaretten. "Grund für diesen gestiegenen Trend ist sicherlich die
Annahme, E-Zigaretten seien weniger gesundheitsschädlich und eine
gesündere Alternative zum Tabakkonsum", erklärt Professor Dr. med. Klaus
F. Rabe, Präsident der DGP und Chefarzt der Abteilung Pneumologie an
der LungenClinic Grosshansdorf. Denn im Gegensatz zu Tabak enthalten
E-Zigaretten keine Verbrennungsprodukte und gelten deshalb als weniger
gesundheitsschädlich als Tabakzigaretten. "Doch trotz geringerer
Toxizität kann auch das E-Rauchen massive gesundheitliche Probleme
verursachen", verweist Rabe auf diverse Forschungsergebnisse. Eine
aktuelle amerikanische Studie (1) zeige nun beispielsweise, dass die der
E-Zigarette zugesetzten Aromastoffe die Lunge reizen und das
Immunsystem negativ beeinflussen können.
In
ihrer Untersuchung zeigten die Forscher, dass alle getesteten 49 Aromen
beim Rauchen unterschiedliche Mengen freier Radikale freisetzen, die
oxidativen Stress in den Zellen verursachen und diese so schädigen. Dies
könne Erkrankungen wie Diabetes, Asthma, Parkinson sowie Lungen- und
Darmkrebs verursachen. Insgesamt gibt es fast 8000 verschiedene
aromatische Zusatzstoffe, die der E-Zigarette zugesetzt werden können.
Sie werden zwar von der Lebensmittelindustrie bereits als
Lebensmittelzusatzstoffe verwendet und als gesundheitlich unbedenklich
eingestuft. "Doch sobald sie erhitzt und inhaliert werden scheinen diese
Aromen Schadstoffe zu produzieren, die der Lunge und dem Immunsystem
schaden", warnt Rabe. Weitere Untersuchungen finden hierzu bereits
statt.
Zudem
sind in E-Zigaretten Gifte wie Nitrosamine, Diethylenglykol und
Formaldehyd bereits nachgewiesen worden. Das ebenfalls enthaltene
Propylenglykol – das Verneblungsmittel, welches ebenso in Diskotheken
eingesetzt wird – kann die Atemwege reizen. "Wie sich das langfristig
auf die Lunge auswirkt kann man jetzt noch nicht sagen. Langzeitstudien
dazu fehlen noch", so Rabe. "Und dass durch das zugesetzte, süchtig
machende Nikotin der Schritt von der E-Zigarette zum Tabakkonsum nicht
weit ist, zeigen ebenfalls mehrere Studien."
Anlässlich
des Weltnichtrauchertags am 31. Mai fordert die DPG daher von der
Politik mehr Maßnahmen zur Aufklärung gesundheitlicher Risiken des
Tabak- sowie E-Zigarettenkonsums. Denn auch beim Tabakkonsum liegt die
Zahl der Raucher hierzulande immer noch höher als in den meisten anderen
Industrieländern. Daran haben auch Schockbilder auf
Zigarettenschachteln wenig verändert. "Viele haben ihren Konsum zwar
eingeschränkt, jedoch nicht komplett eingestellt. Hier ist die Annahme
weit verbreitet, dass ein oder zwei Zigaretten am Tag die Gesundheit
nicht gefährden", sagt Rabe. Doch einer Meta-Studie (2) zufolge haben
auch Männer, die nur eine Zigarette am Tag rauchen, ein um 48 Prozent
höheres Risiko für Herzerkrankungen und ein um 25 Prozent höheres Risiko
für Schlaganfall als Nichtraucher. Bei Frauen liegt das Risiko sogar
noch höher: es steigt um 57 Prozent für Herzerkrankungen und um 31
Prozent für Schlaganfall. Bezüglich der E-Zigaretten und des
Tabakkonsums besteht also noch großer Aufklärungsbedarf in der
Bevölkerung.
Zudem
fordert die DPG seit Jahren ein umfassendes Werbeverbot für
E-Zigaretten sowie Tabakprodukte, um insbesondere junge Menschen vor
gesundheitlichen Schäden schützen. Außerdem sollten Betroffene
professionelle Entwöhnungsprogramme auf Rezept erhalten können. Noch
gibt es solche Maßnahmen in Deutschland nicht: Die meisten Kurse und
wirksame Medikamente muss der Raucher aus eigener Tasche bezahlen.
Quellen:
(1)
Zachary T.Bitzer et al., Effect of flavoring chemicals on free radical
formation in electronic cigarette aerosols, Free Radic Biol Med. 2018
May 20;120:72-79. doi: 10.1016/j.freeradbiomed.2018.03.020. Epub 2018
Mar 13.