Tattoos einmal positiv gesehen – zum Beispiel bei Diabetes

Berlin
–Tätowierungen sind eine zunehmend beliebter werdende Mode: War der
Körperschmuck früher eher in gesellschaftlichen Randgruppen zu finden,
hat inzwischen jeder Fünfte hierzulande mindestens ein Tattoo, wie eine
Studie der Universität Leipzig zeigte. Dazu zählen auch fast die Hälfte
aller Frauen und Männer zwischen 25 und 34 Jahren in Deutschland.
Drückten die Körperzeichnungen vor Jahrzehnten noch meist eine rituelle
oder soziale Zugehörigkeit aus, stehen
Tattoos
heutzutage häufig für eine persönliche Geschichte oder eine
individuelle Aussage des Trägers, etwa als Erinnerung oder Statement.
diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe sieht auch bei Menschen mit
Diabetes und Angehörigen einen Trend, sich Tattoos mit Bezug zu der
Stoffwechselerkrankung stechen zu lassen. Sie spiegeln zum Beispiel
Solidarität mit Betroffenen oder Akzeptanz des lebenslang notwendigen
Selbstmanagements wider.

Tattoos
verdanken ihre wachsende Beliebtheit unter anderem ihrer Präsenz in der
Popkultur: Viele prominente Sänger, Schauspieler, Models und Sportler
tragen den Körperschmuck. Auch FC-Bayern-Spieler
Arturo
Vidal hat zahlreiche Tätowierungen, eine davon zeigt eine Insulinpumpe.
Er hat sich das Motiv aus Solidarität mit seinem an Diabetes Typ 1
erkrankten Sohn stechen lassen. Betroffene selbst geben
unterschiedlichste Gründe für ein Tattoo mit Diabetesbezug, wie etwa den
blauen Kreis oder einen prägnanten Schriftzug, an. Sei es in Erinnerung
an die Diagnose, als Gedächtnisstütze zur kontinuierlich notwendigen
Selbsttherapie mit Blutzuckermessen und Insulinspritzen oder zur
Akzeptanz der Erkrankung. Sie begleitet jeden Menschen mit Diabetes wie
ein Tattoo lebenslang.

Auch Iris Schmidt trägt ein „Diatattoo“:
„Ich habe mir den Schriftzug ‚I choose to live‘ tätowieren lassen. Diese
Idee kam mir, als ich 2013 in Melbourne viele Diabetiker aus anderen
Ländern kennenlernen durfte. Es bedeutet ‚Ich habe mich dafür
entschieden, zu leben.‘ Dies hat für mich eine große Bedeutung – denn
ich hatte zu meiner Manifestation sehr große Schwierigkeiten, mit dem
Diabetes umzugehen und ihn zu akzeptieren. Ich fühlte mich einfach
allein und überfordert. Das Tattoo symbolisiert für mich den Moment, in
dem ich mich entschieden habe zu leben, die Krankheit anzunehmen, mit
ihr zu leben, mich aber nicht von ihr beherrschen zu lassen. Der Moment,
in dem sich alles änderte. Denn heute wäre ich nicht der gleiche
Mensch, der ich jetzt bin, wenn ich keinen Diabetes bekommen hätte.
Meine Freunde, mein Job, meine ehrenamtliche Arbeit, haben größtenteils
einen Bezug zum Diabetes. Und ich bin heute sehr dankbar, dass ich dort
stehe, wo ich gerade bin. Und wenn ich doch mal einen Tag habe, an dem
ich den Diabetes am liebsten in hohem Flug aus dem Fenster befördern
will und mich wieder frage, warum genau ich diese Krankheit habe, dann
sehe ich das Tattoo an und erinnere mich wieder daran, wie viel
Positives mir so etwas negatives wie diese Krankheit gebracht hat.“

„Dieser
Trend zeigt, dass Menschen mit Diabetes heute selbstbewusster und
selbstbestimmter mit ihrer Erkrankung umgehen als früher“, sagt Nicole
Mattig-Fabian, Geschäftsführerin von diabetesDE – Deutsche
Diabetes-Hilfe. „Immer mehr Betroffene und Angehörige sehen den Diabetes
nicht mehr als Stigma, dass es zu verstecken gilt, sondern gehen ganz
offen und selbstverständlich mit ihrer Krankheit um. Mit dem Tattoo
setzen sie ein zusätzliches Statement und können so schnell als
Communitymitglied identifiziert werden.“

Ende 2016 befragte die Universität Leipzig bundesweit 2.510 Menschen im Alter zwischen 14 und 94 Jahren zur Verbreitung von Tätowierungen, Piercing und Körperhaarentfernung in Deutschland und verglich die Ergebnisse mit Umfragen aus den Jahren 2003 und 2009: Demnach
trägt jeder Fünfte in Deutschland ein Tattoo, darunter 44 Prozent der
Frauen und 41,5 Prozent der Männer im Alter von 25 bis 34 Jahren. 10,2
Prozent der Männer und 8,8 Prozent der Frauen tragen mehr als ein
Tattoo. In der Altersspanne von 25 bis 54 Jahren habe die Zahl der
tätowierten Männer und Frauen 2016 deutlich zugenommen, nachdem es
bereits von 2003 zu 2009 bei den Frauen zu einem starken Anstieg
gekommen war.