Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)
Schilddrüse und unerfüllter Kinderwunsch: TSH unter 2.5 mE/l senken!
Bochum, 3. März 2018:
Am 19. Dezember 2017 erschien eine Pressemitteilung der Endocrine
Society (1) und kündigte eine gleichzeitige online-Publikation im J.
Clin. Endocrinol. Metab. an (2). Bostoner Autoren um Tahereh Jokar
untersuchten 187 Frauen mit nicht erklärbarer Unfruchtbarkeit, bei
denen TSH und Prolaktin bestimmt worden waren und bei denen diese Werte
allesamt innerhalb des Referenzbereichs lagen. Die TSH-Spiegel
waren bei den infertilen Frauen gering, aber signifikant höher als in
der Vergleichsgruppe (im Mittel 1.95 vs. 1.66 mE/l). Dieser Unterschied
blieb auch bei Adjustierungen nach Alter, Rauchen oder Body-Mass-Index
bestehen. Vergleichsweise doppelt so viele Frauen mit unerklärlicher
Infertilität hatten TSH-Spiegel über 2.5 mE/l (26.9 vs. 13.5 %). Für Prolaktin fand sich kein Unterschied.
Das Alter der 187 Frauen lag zwischen 18-39 Jahren, sie hatten
normale Menstuation und normale Ergebnisse bei einer
Fertilitätsuntersuchung. Sie wurden im Zeitraum von 2000 – 2013
rekrutiert. Zum Vergleich wurden 52 kinderlose Frauen überprüft, bei
deren Partnern schwere männliche Fertilitätsprobleme bestanden. Die
Daten sprechen dafür, dass bei unerfülltem Kinderwunsch bei einem
TSH-Wert über 2.5 mE/l Levothyroxin verabreicht werden sollte.
Kommentar
Vorweg: Die Ergebnisse beziehen sich nicht auf mit
artifizieller Reproduktionstechnologie behandelte Hashimoto-Patientinnen
wievor 1 Monat im Blogbeitrag vom 27. Januar 2018 besprochen (3).
Einschränkend ist bei der vorliegenden Untersuchung anzumerken, dass man
nicht alle Partnerinnen der 52 Männer mit Oligo- oder Azoospermie als
„fruchtbar“ einstufen kann und sich dadurch die Ergebnisse etwas
verschieben könnten. Für Nicht-Ärzte: Unfruchtbarkeit
(„Infertilität“) wird bei Paaren diagnostiziert, die 12 Monate lang
vergebens versucht haben, bei regelmäßigem Verkehr zu den fruchtbaren
Tagen des Zyklus, also etwa in dessen Mitte, eine Schwangerschaft zu
erzielen. Als erste Maßnahme diskutieren dann die Autoren, ob man bei
Unfruchtbarkeit nicht einfach mit Levothyroxin den TSH-Wert unter 2.5
mE/l bringen sollte, auch bei Nicht-Hashimoto-Patienten. Nach meiner
Kenntnis – und so verfahre ich auch in meiner eigenen Praxis – verhalten
sich ohnedies viele Kolleginnen und Kollegen schon in diesem Sinne.
Helmut Schatz