Experten diskutieren Chancen und Risiken von E-Zigaretten
fzm, Stuttgart, September 2017 – Weil
Langzeiterfahrungen noch fehlen, ist eine medizinische Bewertung des
Konsums von E-Zigaretten bislang schwierig. In einem Positionspapier hat
die Deutsche Suchtgesellschaft – Dachverband der
Suchtfachgesellschaften (DSG) den aktuellen Wissensstand hierzu
zusammengefasst und daraus erste Empfehlungen abgeleitet. Der Beitrag
ist in der Fachzeitschrift „Suchttherapie“ (Georg Thieme Verlag,
Stuttgart. 2017) erschienen.
„Als per se unschädlich kann die E-Zigarette sicher nicht
eingeschätzt werden“, sagt Dr. med. Tobias Rüther, Oberarzt für
Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum München und
Erstautor des Beitrags. So enthält das Aerosol, der eingeatmete Dampf,
neben Nikotin auch krebserzeugende und giftige Substanzen wie
Formaldehyd oder Acetaldehyd. Nichtraucher – vor allem Jugendliche –
sollten daher keinesfalls ermuntert werden, über E-Zigaretten mit dem
Nikotinkonsum zu beginnen. Alle Regelungen zum Jugend- und
Nichtraucherschutz für herkömmliche Tabakprodukte müssten daher auch
uneingeschränkt für E-Zigaretten gelten. Das schließe auch Werbeverbote,
das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und mögliche Preissteigerungen
mit ein.
Auf der anderen Seite ist das Inhalat aus E-Zigaretten
deutlich weniger schädlich als Tabakrauch: Unterschiedliche Schätzungen
verschiedener Experten schreiben dem Aerosol eine neun- bis 450-mal
geringere Toxizität zu als dem Rauch aus herkömmlichen Zigaretten. „Wer
bisher konventionell geraucht hat, kann daher vom Umstieg auf die
E-Zigarette profitieren“, so Rüther. Studien hätten ergeben, dass
Raucher, die komplett auf das Dampfen umsteigen, nach einem Jahr
deutlich bessere Blutdruck- und Atemfunktionswerte aufwiesen. Auch die
Lungenfunktion von Asthmatikern bessert sich ersten Untersuchungen
zufolge durch den Umstieg. Bislang fehlen jedoch noch Daten zu den
längerfristigen Gesundheitseffekten.
Wie die Experten der DSG betonen, bleibe das eigentliche und
in allen Leitlinien formulierte Ziel aber nicht der Umstieg aufs
„Dampfen“, sondern der völlige Rauchverzicht. In Studien geben rund zwei
Drittel der Raucher an, mit dem Rauchen aufhören zu wollen und dies
auch schon mindestens einmal ernsthaft versucht zu haben. Gleichzeitig
ist jedoch nur jeder zehnte zu einem Rauchstopp bereit. Dazu trägt
sicher bei, dass viele Raucher sich durch die etablierten
Entwöhnungshilfen wie Nikotinersatzpräparate oder eine
Verhaltenstherapie nicht angesprochen fühlen. In diesen Fällen könne die
E-Zigarette eine Brücke zum Rauchausstieg bauen. Denn manche Studien
sprechen dafür, dass das Dampfen den Übergang in die Abstinenz
erleichtern kann. Weil andere Studien dem widersprechen, wird das Thema
derzeit sehr kontrovers diskutiert.
„Die aktuelle Datenlage erlaubt es noch nicht, eine
abschließende Entscheidung für oder gegen die E-Zigarette zu treffen“,
schreiben Rüther und seine Kollegen. Vorerst gelte es, die Chancen, die
die E-Zigarette für die Tabakentwöhnung biete, nicht durch eine zu
starke Regulierung zunichte zu machen. Zugleich müsse aber verhindert
werden, dass die E-Zigarette das Rauchen wieder salonfähig macht.
T. Rüther et al.:
Positionspapier: Suchtmedizinische und gesundheitspolitische Chancen und Risiken durch den Gebrauch von E-Zigaretten
Suchttherapie 2017; 18 (3); S. 120–123