Rheuma – weniger Medikamente, mehr Lebensqualität?
Chancen und Risiken einer Therapie-Reduktion
Berlin
– Menschen mit Rheuma leben heute mit Hilfe moderner Medikamente häufig
frei von krankheitsbedingten Schmerzen. Sind Patienten über längere
Zeit beschwerdefrei, wünschen sie sich oft, auf Medikamente verzichten
zu können. Experten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
e.V. weisen anlässlich des Welt-Rheuma-Tags am 12. Oktober darauf hin,
dass eine Reduktion der medikamentösen Therapie sich für einen Teil der
Patienten – wenn auch nicht für alle – eignet und nur in enger Absprache
mit dem behandelnden Rheumatologen erfolgen sollte. Ein kontrolliertes,
ärztlich begleitetes Absetzen könne zu mehr Lebensqualität und weniger
Nebenwirkungen führen.
„Den
Erfolg einer wirksamen Therapie empfinden viele Patienten mit
schwerwiegenden rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen wie einen
Neuanfang“, berichtet Professor Dr. med. Hanns-Martin Lorenz, Präsident
der DGRh über seine Erfahrungen aus der Klinik. „Dennoch erscheint der
Wunsch, mit möglichst wenig Medikamenten auszukommen, sehr
nachvollziehbar“, so der Leiter der Sektion Rheumatologie am
Universitätsklinikum Heidelberg. Denn die Rheuma-Therapie kann auch
unerwünschte Nebenwirkungen nach sich ziehen, wie
Magen-Darm-Beschwerden, Hautreizungen oder Kurzatmigkeit. Neben
antientzündlich wirkenden Schmerzmitteln und Kortison nehmen Patienten
auch Wirkstoffe, die den Fortschritt der Krankheit verlangsamen. Dazu
gehören Methotrexat und hoch wirksame Biologika.
Studien
haben gezeigt: Je kürzer ein Patient erkrankt war, desto größer die
Chancen für einen erfolgreichen Therapieabbau. Es ist zudem
aussichtsreicher, lediglich die Dosis zu verringern, als die Präparate
sofort ganz abzusetzen. „Auch mit welchem Medikament die Reduktion der
Therapie beginnt, sollten Arzt und Patient gemeinsam entscheiden“, rät
Lorenz. Ein Aufflammen der Rheuma-Erkrankung, der sogenannte „Flare“,
ist deutlich wahrscheinlicher, wenn der Patient seine Medikamente
komplett absetzt: Im Falle einer Halbierung der Medikamentendosis war
bei 38,9 Prozent der Studienteilnehmer innerhalb eines Jahres ein
Krankheitsrückfall zu verzeichnen. Setzten die Patienten die Medikamente
hingegen komplett ab, erlitten 51,9 Prozent innerhalb eines Jahres
einen „Flare“.
„Wann,
bei wem und wie ein Therapieabbau durchgeführt werden kann, müssen Arzt
und Patient im Gespräch klären“, betont Professor Lorenz. Als
Voraussetzung gilt, dass der Patient mindestens sechs Monate in
„Remission“ – also beschwerdefrei war. Wichtig sei es, regelmäßig den
Rheumatologen aufzusuchen um die Krankheitswerte und Symptome engmaschig
kontrollieren zu lassen. „Eine abgesenkte Medikation bedeutet in der
Regel auch, dass das Risiko für stärkere Entzündungen bei rheumatischen
Erkrankungen steigt. Die Patienten müssen gemeinsam mit dem
Rheumatologen abwägen, was die subjektiv empfundene Lebensqualität
stärker einschränkt: die Erkrankung oder die Nebenwirkungen“, so Lorenz.
Auf dieser Basis könnten sie gemeinsam das richtige Maß an Therapie
finden.
Wirtschaftliche
Überlegungen oder gar das Drängen seitens der Krankenkasse – wie es
beim Einsatz kostspieliger Biologika schon vorkam – dürfen keinen
Einfluss auf die Entscheidung haben, welche und wie viele Medikamente
ein Patient erhält. Entscheidend sei: „Das Reduzieren oder Absetzen der
Rheuma-Medikamente darf ausschließlich der Lebensqualität des Patienten
dienen.“ Darauf weist der Präsident der DGRh anlässlich des
Welt-Rheuma-Tags am 12. Oktober 2017 hin.