AntibiotikaResistenzen mit dem Evolutionsexperiment mindern

AntibiotikaResistenzen mit dem Evolutionsexperiment mindern

Schon nach kurzer Zeit
bilden Krankheitserreger Resistenzen selbst gegen neue
Antibiotika-Medikamente. Biologen wollen diesem Prozess auf die Spur
kommen und so herausfinden, wie sich dieser vermindern lässt.

Von Tomma Schröder

Unterschiedliche Antibiotika-Probleme: Das Herausbilden von Resistenzen ist ein weltweites Problem. (dpa / Sebastian Gollnow)

"Interessant ist: Bei den
meisten Ratschlägen, die gegeben werden von Gesundheitsorganisationen –
auch von der WHO – da fehlt der Hinweis auf Evolution. Und das muss sich
ändern. Denn im Moment werden wir eher versuchen, Wege zu begehen, die
sehr teuer sind und nie nachhaltig sein werden. Das heißt, es werden
neue Antibiotika auf den Markt gebracht. Und wir wissen eigentlich heute
schon, dass die nach wenigen Jahren schon wieder ineffektiv werden,
weil neue Resistenzen entstanden sind."

Zwei bis drei Jahre dauert
es heute etwa, bis für neu entwickelte Antibiotika die ersten
resistenten Keime gemeldet werden, erklärt Hinrich Schulenburg von der
Universität Kiel. Aus der Sicht eines Evolutionsbiologen ist das nur
logisch. Denn resistente Erreger haben einen evolutionären Vorteil in
einer Umgebung, in der immer häufiger Antibiotika zum Einsatz kommen.

Um diesen Selektionsdruck zu
mindern, wird zurecht ein bewussterer und geringerer Gebrauch von
Antibiotika in der Human- und Tiermedizin gefordert. Gleichzeitig könnte
man aber auch schauen, welche Faktoren die Ausbildung von Resistenzen
fördern oder behindern. Und das ist eine Stellschraube, an der bisher
kaum gedreht wurde.

"Das, was wir einsetzen: Wir
führen Evolutionsexperimente durch. Das heißt, wir kultivieren die
Krankheitskeime, die sich ja relativ schnell teilen und deswegen auch
schnell evolvieren können. Wir kultivieren die Krankheitskeime und
verwenden dann verschiedene Antibiotikabehandlungen und können dann in
Echtzeit beobachten, ob Resistenzen entstehen oder halt nicht. Und
können dann zusätzlich auch untersuchen, welche genetischen, genomischen
Veränderungen auftreten und welche anderen Eigenschaften sich
verändern. Denn das sind alles Informationen, die uns helfen, zu
verstehen, warum bestimmte Behandlungsweisen gut funktionieren oder
nicht."

Kombination und Reihenfolge könnte helfen

Dabei haben die
Evolutionsbiologen unter anderem herausgefunden, dass es sinnvoll sein
kein, nicht immer nur ein Antibiotikum anzuwenden.

"Wir wissen schon, dass zum
Beispiel bestimmte Kombinationen von Antibiotika oder eine bestimmte
Reihenfolge es den Krankheitskeimen sehr schwierig macht. Und diese
Reihenfolge an verschiedenen Antibiotika, die man vergibt, das ist
etwas, was in der Medizin so gut wie gar nicht eingesetzt wird."

Oft ist es aber so, dass ein
Keim, der mit einem Antibiotikum behandelt wird und Resistenzen gegen
dieses Mittel ausbildet, empfindlicher gegenüber anderen Antibiotika
wird, erklärt Schulenburg. Wenn diese beiden Antibiotika dann in
schneller Abfolge eingesetzt werden, kann es für Krankheitskeime sehr
schwer werden, sich anzupassen, weil sie durch zwei verschiedenen Gegner
gleichzeitig angegriffen werden.

Im Labor, wo zwei Mittel im
Abstand von zwölf oder 24 Stunden abwechselnd zum Einsatz kamen, hat das
bereits gut funktioniert – zum Beispiel bei Pseudomonas aeruginosa,
einem der häufigsten Krankenhauskeime, der eitrige Infektionen auslöst.

Doch die Forschung zur
Evolution von Krankheitserregern steckt noch in den Kinderschuhen. Und
eine wichtige Herausforderung ist nun, die Ideen auf die wesentlich
komplexeren Behandlungen in Krankenhäusern zu übertragen. Das wird
naturgemäß einige Zeit dauern. Der Berliner Biologe Jens Rolff dagegen
hat eine Idee, die schon recht bald in den ersten Kliniken Einzug halten
könnte

"Es gibt ja in den Kliniken
Behandlungspläne: Bei einer bestimmten Infektion wird erst Medikament A
gegeben, wenn das nicht funktioniert, Medikament B und so. Und
irgendwann müssen wir an den Giftschrank gehen und die Reserve
rausholen."

Testgerät für Antibiotikabehandlungen

Um ein solches Ausprobieren
am Patienten zu vermeiden, hat Rolff eine Art Testgerät für
Antibiotikabehandlungen entwickelt. Das Klinikpersonal könnte es mit
Krankheitserregern bestücken und daraufhin würde es verschiedene
Behandlungsweisen an den Keimen durchführen.

"Wenn so ein neuer
Einsatzplan für Antibiotika für ein ganzes Krankenhaus entwickelt wird,
kann man für die wichtigsten Keime dann innerhalb von ein, zwei Wochen
testen, geht es schneller geht es langsamer mit der Resistenzevolution.
Und man kann in der Zeit sogar eine Genomsequenzierung machen und
feststellen, von denen die resistent werden: Welche Mutationen haben
die? Welche Fitness haben die? Können die wirklich besser überleben? Und
das ist sicher eine Menge zusätzlicher wichtiger Information."

Führt das im Klinikalltag
tatsächlich zu einigermaßen verlässlichen Aussagen, könnten die
Mediziner den Erregern diesen einen entscheidenden Schritt voraus sein
und ihre Gegenmittel viel genauer und effektiver einsetzen.