Radiocarbon: der Blick in die Vergangenheit

So lassen sich emissionsverfälschte Altersmessungen identifizieren

Radiokarbonmethode bleibt verlässliches Werkzeug, wenn sie durch 13-C-Messungen ergänzt wird

Bremerhaven, 7. Dezember 2016. Gute Nachrichten für Archäologen und
Naturwissenschaftler! Sie werden auch künftig die Radiokarbonmethode als
verlässliches Werkzeug für die Altersbestimmung von Artefakten und
Probenmaterial verwenden können. Die durch den Kohlendioxidausstoß des
Menschen vorangetriebene Abnahme des Kohlenstoffisotopes 14-C in der
Atmosphäre und die damit verbundene Verfälschung des Radiokarbonalters
der Materialien lässt sich genau identifizieren – mit Hilfe einer
Messung des Kohlenstoffisotopes 13-C. Zu diesem Ergebnis kommt
AWI-Geowissenschaftler Dr. Peter Köhler in einer Studie, die heute im
Fachmagazin Environmental Research Letters erschienen ist.

Wie lange noch können wir unsere beste Methode zur Altersbestimmung
organischer Materialien einsetzen? Diese Frage stellten sich Archäologen
und Naturwissenschaftler vor etwa einem Jahr, als bekannt wurde, dass
die Menschheit durch ihren Verbrauch fossiler Brennstoffe wie Kohle,
Erdöl und Erdgas die Kohlenstoffisotopen-Bilanz der Erde derart
verändert, dass die Radiokarbonmethode schon in wenigen Jahrzehnten
ungenaue Altersangaben generieren wird.

„Sollten die globalen Emissionen fossilen Kohlendioxids in naher Zukunft
unverändert ansteigen wie im „business-as-usual“-Szenario des
Weltklimarates prognostiziert, werden die Ergebnisse unserer
Altersbestimmungen von neuem organischem Material im Jahr 2050 identisch
sein mit jenen von rund 1000 Jahre alten Proben. Im Jahr 2150 werden
neue Proben dann in etwa so alt wie 3000 Jahre alter Kohlenstoff
erscheinen, im Extremfall sogar wie 4300 Jahre altes Material. Das
hieße, frisches Probenmaterial, zum Beispiel von einem im nächsten
Jahrhundert gefällten Baum, erscheint dann gemessen mit der
Radiokarbonmethode genauso alt wie mehrere Jahrtausende altes Holz“,
erläutert Dr. Peter Köhler, Geowissenschaftler am
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung.

Er stellte sich im zurückliegenden Jahr die Frage, ob und wie sich diese
verfälschte Alterung des Materials nachweisen ließe. Die Lösung hat er
nun in einem weiteren Kohlenstoffisotop gefunden. „Wenn wir parallel zur
Radiokarbonmethode auch den 13-C-Wert der Probe bestimmen, können wir
herausfinden, ob die Altersangabe vertrauenswürdig ist. Anhand des
13-C-Wertes wird nämlich deutlich, ob der Kohlenstoff der Probe durch
fossiles Kohlendioxid beeinflusst worden ist“, sagt Peter Köhler.

Kohlenstoff, den Lebewesen bei der Atmung, über die Photosynthese oder
mit der Nahrung aufnehmen, enthält drei verschiedene Isotope: die beiden
stabilen Isotope 12-C und 13-C sowie das radioaktive 14-C. Letzteres
wird durch Kernreaktionen in den oberen Schichten der Erdatmosphäre
gebildet. Stirbt ein Tier oder eine Pflanze, zerfällt das in seinem
Gewebe gebundene 14-C mit einer konstanten Rate. Seine Halbwertzeit
beträgt rund 6000 Jahre.

Diesen Umstand machen sich Wissenschaftler bei der Altersbestimmung
mithilfe der Radiokarbonmethode zunutze. Sie bestimmen dabei die Menge
der verbliebenen 14-C-Isotope in der Probe, setzen sie mit der Anzahl
der 12-C-Isotope in ein Verhältnis und vergleichen dieses wiederum mit
einem vorher festgelegten Standard-Wert. „Wir stehen vor dem Problem,
dass Erdgas, Erdöl und Kohle so alt sind, dass ihr Kohlenstoff keine
14-C-Isotope mehr enthält. Verbrennen wir nun diese Rohstoffe, bringen
wir große Mengen an 14-C-freiem Kohlendioxid in die Atmosphäre. Die
Folge ist, dass sich das Verhältnis von 14-C zu 12-C – ähnlich einem
Alterungsprozess – verkleinert, zuerst in der Atmosphäre, später in
allen mit ihr im Austausch stehenden Reservoiren. Dieses Phänomen kennen
wir als den Suess-Effekt, benannt nach dem Physiker Hans E. Suess“,
sagt Peter Köhler.

Das 13-C-Signal identifiziert den Unterschied

Diesen Suess-Effekt gibt es auch für das 13-C-Isotop – eine Tatsache,
die der AWI-Wissenschaftler zur Lösung des Datierungsproblems nutzte.
„Durch das Verbrennen von Erdöl, Kohle und Erdgas verändert sich nicht
nur das 14-C-Signal in der Atmosphäre, sondern auch das stabile
13-C-Signal. Das bedeutet: Habe ich in meiner Messung ein verändertes
13-C-Signal, zeigt mir dieses an, dass auch die 14-C-Altersangabe durch
fossilen Kohlenstoff beeinflusst wurde. Liegt mein 13-C-Signal dagegen
innerhalb des zu erwartenden Bereiches, gibt es keinen Einfluss durch
fossilen Kohlenstoff und die 14-C-Altersangabe zeigt mir das korrekte
Alter an“, erläutert Peter Köhler.

In seiner Studie hatte der Wissenschaftler den 14-C-Suess-Effekt und den
13-C-Suess-Effekt bis zum Jahr 2500 mit dem Computermodell BICYCLE
berechnet, welches den globalen Kohlenstoffkreislauf nachbildet. Seine
Rechnungen basierten dabei auf den gängigen Emissionsszenarien des
Weltklimarates. Anschließend überprüfte er mithilfe weiterer
Untersuchungen, ob seine Zukunftsprognosen auch dann standhielten, wenn
es der Menschheit gelingen sollte, die Kohlendioxid-Konzentration in der
Atmosphäre zu reduzieren.

In allen angenommenen Szenarien konnte die potentielle Verfälschung der
Altersdatierung mit Hilfe des 13-C-Suess-Effekts identifiziert werden.
Lediglich in Regionen, die nur in langsamem Austausch mit der Atmosphäre
stehen (z.B. der tiefe Pazifische Ozean), erscheint eine eindeutige
Identifikation mithilfe des 13-C-Suess-Effektes nicht möglich.
Methodisch schwierig wird es auch, wenn die Menschheit in großem Umfang
beginnen sollte, Biomassen anzubauen, um Kohlendioxid zu binden, diese
Biomasse dann verbrennt und das freiwerdende Kohlendioxid in
unterirdischen Gesteinsschichten einlagert. Diese sogenannte
BECCS-Methode wurde bereits in geringem Umfang in einigen Szenarien des
Weltklimarates implementiert, ist aber nur eine von etlichen theoretisch
möglichen Methoden, die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre zu
reduzieren.