Kinderlähmung: Experten geben keine Entwarnung
Impfspritze: bei Polio oft nicht ausreichend (Foto: pixelio.de, seedo) |
Ann Arbor (pte006/22.06.2015/10:30) –
Der Kampf gegen Kinderlähmung ist fast gewonnen. Laut einer Studie der University of Michigan http://umich.edu zur Übertragung des Virus wird der Kampf auch noch lange nach dem
letzten gemeldeten Krankheitsfall weitergehen. Das Team um Micaela
Martinez-Bakker empfiehlt daher neben Impfkampagnen eine sehr genaue
Überwachung der Umwelt.
Impfen hilft, Löcher zu stopfen
Laut den in "PLOS Biology" http://journals.plos.org/plosbiology veröffentlichten Forschungsergebnissen kann sich das Virus sehr lange
verbreiten, ohne dass Erkrankungen bekannt werden. "Wir können mithilfe
von Transmissionsmodellen zeigen, dass es noch mehr als drei Jahre lang
zu einer stillen Übertragung kommen kann, ohne dass ein einziger
Krankheitsfall gemeldet wird", so Martinez-Bakker.
An Polio erkranken hauptsächlich Kinder unter fünf
Jahren. Eine von 200 Infektionen führt zu irreversiblen
Lähmungserscheinungen. 1979 wurde in den USA der letzte natürlich
aufgetretene Fall gemeldet. Laut der Weltgesundheitsorganisation
erkrankten 2013 weltweit 416 Personen. Die Krankheit tritt aber immer
seltener auf. 1988 war Kinderlähmung in 125 Ländern endemisch. Heute ist
sie nur noch in Afghanistan, Nigeria und Pakistan verbreitet.
Ein Großteil dieses Rückgangs ist auf den Erfolg von
Impfaktionen zurückzuführen. Den Studienautoren nach sind aber
entscheidende Bereiche der Krankheitsübertragung noch immer nicht
erforscht. Daher analysierten die Forscher Poliofälle in den USA aus der
Zeit der Epidemien vor der Einführung der Impfungen. Zu den
ausgewerteten Daten gehörten Geburtsstatistiken und die
Bevölkerungsdaten aus allen Bundesstaaten. Damit konnte die Ökologie
einer Infektion in einer Welt ohne menschliche Eingriffe untersucht
werden.
Hohe Geburtenraten problematisch
Die Verbreitung der Kinderlähmung war in den USA 1952
am größten. In diesem Jahr wurden 57.000 Erkrankungen gemeldet.
Umfassende Impfungen mit dem neuen Impfstoff fanden erst drei Jahre
später statt. Zwischen den 30er- und 50er-Jahren des vergangenen
Jahrhunderts trat das Virus in den USA deutlich häufiger auf. Die
Wissenschaftler gingen daher anfänglich von einer Entwicklung der
Krankheit aus.
Diese Hypothese beruhte darauf, dass Verbesserungen in
der Hygiene die Übertragung verringerten und die Last der Infektionen
auf die dafür anfälligeren Kinder verlagerten. Damit sei, so die
Wissenschaftler, auch die Wahrscheinlichkeit einer klinischen
Manifestation angestiegen. Heute gehen die Forscher jedoch davon aus,
dass diese Hypothese falsch war.
Stattdessen nehmen die Experten jetzt an, dass der
Anstieg der Erkrankungen auf die höheren Geburtenzahlen nach dem Zweiten
Weltkrieg zurückzuführen ist. Mehr Kinder hätten auch größere Ausbrüche
ermöglicht. Die Wissenschaftler gehen auch davon aus, dass neben den
52.000 Erkrankungen im Jahr 1952 mehr als drei Mio. Menschen infiziert
worden sind.