Das Chronische Müdigkeitssyndrom (CFS) aus Sicht eines Neurologen und Psychiaters
Bochum, 6. März 2015:
Als Resonanz auf die beiden DGE-Blogbeiträge vom 4. und 5. März 2015
über CFS/ME erreicht uns der Kommentar von Herrn Kollegen Volker Kuhls,
eines bekannten Bochumer Neurologen und Psychiaters, der auf Grund der
Erfahrungen in der eigenen, großen Praxis seine Sicht der CFS-Thematik
schildert:
„CFS- Patienten haben oft einen langen Leidensweg. Auf der
Symptomebene gibt es viele Überschneidungen mit “neurasthenischen”
Symptomclustern bei somatisierten Depressionen oder
Somatisierungsstörungen. Nicht selten wird ein plötzlicher Beginn
angegeben, aber auch hier sind Überschneidungen mit psychosomatischen
Konversionsstörungen möglich. Neben “klassischen” CFS-Verläufen nach
Virusinfektionen (EBV, Hepatitis B) besteht Fatigue beispielsweise oft
auch bei Multipler Sklerose (für die es harte Diagnosekriterien wie NMR
und Liquorbefund gibt).
Nicht wenige Patienten und Selbsthilfegruppen scheinen eine etwas
rigide Fixierung auf eine rein somatische Ursache zu haben. Die meisten
Erkrankungen sind aber zumindest auch im Verlauf “biopsychosozial”. Ich
habe nicht selten Patienten gesehen, deren Fixierung auf organische
Ursachen dazu geführt hat, dass für viel Geld zahllose
Laboruntersuchungen erfolgten wie vielfältigste immunologische
Parameter, Neurotransmitterbestimmungen, Umweltgifte, etc. In der Folge
wurden dann oft lange “Ausleitverfahren” und Antibiotikatherapien
durchgeführt.“
Kommentar
Herrn Kollegen Kuhls sei herzlich für seinen wichtigen Beitrag aus
der „real world“ seiner Praxis gedankt. Auch der Referent ist der
Meinung, dass Patienten mit dem Bild eines Chronischen
Müdigkeitssyndroms, das auch mit Fibromyalgie einhergehen kann,
vielschichtig ist. Für uns Ärzte bleibt zur Zeit die Verpflichtung zu
einer an die Beschwerden angepassten symptomatischen Therapie. Und dass
man das Krankheitbild eines Patienten immer ernst zu nehmen hat und ihm
auch vermitteln muss dass man ihn versteht, wurde im DGE-Blogbeitrag
über den „Nocebo-Effekt“ vom 16. Februar 2015 betont (1).
Helmut Schatz